■ Mit dem Bum-Bum-AKW auf du und du
: Wasserstoff-Zünder

Bonn (taz) – Seit dem 28. März 1979 ist die explosive Angelegenheit jedem Reaktortechniker bekannt. Nur eine glückliche Fügung verhinderte damals, daß die Kernschmelze im US-Atommeiler Three Mile Island nahe Harrisburg zum Inferno führte. Die Gasblase aus Wasserstoff, die sich im Höllenfeuer des schmelzenden Reaktorinventars gebildet hatte, verpuffte. Sie detonierte nicht. Der Sicherheitsbehälter blieb intakt, weil die Selbstzündung erfolgte, bevor die Wasserstoffkonzentration den Wert für den ganz großen Bums nicht erreichte.

Seither sucht die nuclear community nach Wegen, die dieses „Leitproblem der Reaktorsicherheit“, so Professor Helmut Karwat von der TU München, entschärfen könnten. Ende November 1988 versprach die Reaktorsicherheitskommission (RSK), sie werde für die 14 deutschen Druckwasserreaktoren eine entsprechende Empfehlung aussprechen. Und zwar „in einigen Monaten“. Schon damals favorisierte die RSK die sogenannte Zünder-Lösung. Danach sollen jeweils mehrere Dutzend „autarke Zünder“ in den Sicherheitsbehältern der Meiler verteilt werden. Wenn der Kernschmelzunfall passiert, sollen automatisch ausgelöste Funken das Gas kontrolliert abfackeln, bevor die „Detonationsgrenzen“ erreicht sind. Ob das funktioniert, ist nicht sicher. Nicht nur atomkritische Skeptiker fürchten, daß die Zündkerzen die Katastrophe auslösen, statt sie zu verhindern.

In diesem Herbst (nach 60 Monaten) wollte die RSK ihr Konzept geräuscharm über die Bühne bringen. Das klappte nicht, weil die Ergebnisse zahlreicher Explosionsexperimente mit Luft-Wasserstoff-Gemischen auch bei hartgesottenen Experten für kalte Füße sorgten. Im Oktober fragte der SPD- Abgeordnete Horst Kubatschka die Bonner Regierung, wie es denn 14 Jahre nach Harrisburg um den Schutz der AKW vor Wasserstoffexplosionen bestellt sei. Die Antwort aus dem Hause Töpfer umschifft vielsagend das Reizwort „Wasserstoff-Zünder“. Statt dessen: „Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Begrenzung hypothetischer [!] Kernschmelzunfälle“ werden „zügig realisiert.“ Und: „Eine entsprechende Empfehlung durch die RSK befindet sich in Vorbereitung.“ Gestatten Sie eine Zusatzfrage? Wie lange dauern nach den Erkenntnissen der Bundesregierung „einige Monate“? Gerd Rosenkranz