Junkie-Jogging: „Suchen Sie die Antworten“

■ 4. Internationale Konferenz Drogenpolitik: Wege auch für Hamburg? / Kein „Königsweg“ in Sicht

„Die offene Drogenszene ist die Nagelprobe für alle drogenpolitischen Ansätze“, konstatierte Sozialsenator Ortwin Runde (SPD) gestern auf der „Vierten Internationalen Konferenz Drogenpolitik“ in Hamburg. Seine Behörde hatte zu diesem Anlaß eine Studie in Auftrag gegeben, die die Situation der Drogenabhängigen in mehreren europäischen Städten untersucht. Die Ergebnisse wurden gestern im CCH vorgestellt.

Grundsätzlich hat das Amsterdamer Forschungsinstitut „O&S Bureau“ vier administrative Strategien ausmachen können, der offenen Drogenszene zu begegnen. Erstens: Massive Polizeiüberwachung der Drogengebraucher rund um die Uhr. Mit diesem Überangebot der Ordnungsmacht wurde Münchens Drogenszene nahezu völlig aus dem Stadtbild verdrängt. Die Folge: Mehr Todesfälle unter den Abhängigen, die für Hilfsangebote kaum noch ausfindig gemacht werden können.

Demgegenüber versuchen andere Städte, dem Drogenproblem mit einem Heer von Sozialarbeitern, Ärzten und Spritzentauschautomaten zu begegnen. Dort wird die Szene nur partiell überwacht, und es klicken auch nicht bei jedem Gramm Stoff die Handschellen.

Die dritte Möglichkeit zeigt das Beispiel der Stadt Amsterdam, in der die Szene über die ganze Stadt verstreut wurde. Auch in Frankfurt wurden die Drogenabhängigen von einem Stadtteil in den anderen gejagt, was aber nicht zur Zerschlagung ihrer Zusammenhänge führte. „Junkie-Jogging“ lautet die interne Bezeichnung der Gejagten für diese Strategie.

Als vierter Weg bleibt noch das sogenannte Umlenken, bei dem die offene Szene wie in Rotterdam oder Zürich in abgelegene Stadtviertel verlagert wurde. Auf diese Weise wird eine Konfrontation mit der Wohnbevölkerung vermieden.

Wenn sich – wie in Zürich – die Szene in einem eigens für sie eingerichteten Haus trifft, entsteht freilich ein Sogeffekt. Außerdem werden die Drogengebraucher in diesen Gesundheitsräumen, die es jetzt auch in Hamburg gibt, beobachtet und verlieren ein Stück Selbstbestimmung. Aus einem eigentlich toleranten Ansatz ergibt sich ein weiterer Fremdzwang, der auf die Abhängigen ausgeübt wird. „Diese Beobachtungen werfen eine Menge Fragen auf“, schloß Dirk Korf vom O&S Bureau. „Suchen Sie die Antworten.“

Nach Auffassung des Hamburger Drogenbeauftragten Horst Bossong ist „der Königsweg zur Lösung des Problems“ nicht in Sicht. Drogenpolitik müsse daher eine Mischstrategie aus akzeptierenden und repressiven Ansätzen verfolgen. Solche „intelligenten Strategien“ erhofft sich auch Ortwin Runde von der Fachtagung. Auf jeden Fall, findet er, müsse der Markt für harte und weiche Drogen getrennt und zudem die legale ärztliche Verschreibung von harten Drogen vorangetrieben werden. Paula Roosen