■ Prag feiert morgen 100 Jahre CSFR-Tennisgeschichte
: Undank ist Martinas Lohn

Prag (taz) – Es gibt ein schönes Lied von der bereits verstorbenen kölnischen Kultfigur Trude Herr. Da heißt es: „Die Welt ist schlecht, ist nicht gerecht.“

Trude Herr hat ihre ganzen Lebenserfahrungen in diesem Schlager zusammengefaßt. Er birgt tiefe Wahrheiten und sagt im Grunde genommen so etwas wie unser Sprichwort „Undank ist der Welten Lohn“. Und wer das nicht glaubt, der könnte ja morgen mal einen Anruf bei Martina Navratilova und Ivan Lendl machen. Die werden das Lied wahrscheinlich schon im Schlaf trällern können, vorausgesetzt, sie liegen nicht in ihren Betten und flennen.

Um den Angriff auf die Psyche dieser beiden Tennis-Cracks zu verstehen, muß man sich zunächst in Erinnerung rufen: Sie waren es, die sich nicht zuletzt zum Wohl der Republik (!) schon von zarten Kindesbeinen an die Bälle um die Ohren schlugen. Sie waren es, die nicht zuletzt zum Ansehen einer ganzen Nation (!) tagtäglich in Tennishosen (und Röcken!), Tennishemden, Tenniskappen, Tennissocken und Tennisschuhen über die grellrote Asche hüpften mußten. Sie waren es, denen die tschechoslowakischen Trainer neben den Eltern pausenlos in den Ohren lagen: Kinder, ihr werdet es schaffen! So, jetzt die ganz banale Frage: Was haben sie geschafft? Ein bißchen Kohle haben sie ins Haus gekarrt, natürlich. Millionen Menschen haben vor der Glotze mit ihnen gefiebert, selbstverständlich. Und? Was noch? Richtig. Das war's auch schon.

Nicht einmal bei dem heutigen Show- und Gedenkturnier in Prag anläßlich „100 Jahre tschechischem Tennis“ will man sie sehen. Statt dessen fegen Borris Becker und John McEnroe ihre Rackets über den Centre Court. Anschließend läßt man sich die Geburtstagstorte und den Champagner munden. Und das alles ohne Martina und Ivan.

Inzwischen wissen wir auch, wer das Ganze verbockt hat. Der Mann heißt Petr Kovarcik. Er ist Direktor der Marketingfirma Teleaxis, die mit der Sponsoren- und Spielerauswahl zur großen Feier beauftragt war. Kovarcik hat auf einer Pressekonferenz ganz fadenscheinig gefragt, wen der Lendl denn ersetzen soll. Viele Prager sind stocksauer und kontern zurecht, daß die Frage doch so lauten muß: Ist es nicht selbstverständlich, daß an einem so geschichtsträchtigen Tag der einstige tschechoslowakische Tennisadel erscheint?

Kovarciks Tour ist ziemlich mies. Er kann Ivan nämlich persönlich nicht leiden. Das sozialistische System habe ihn seinerzeit betrogen, sagt er, weil er für Leute wie Lendl Steuern zahlen mußte. Zudem habe Lendls Manager im vergangenen Sommer den Bock geschossen und 150.000 Mark Startgeld für den Profi bei den Czech-Open gefordert. Das, so Kovarcik, sei für einen Spieler zuviel, der schon siebenmal in der ersten Runde verloren habe.

Im Fall von Martina, so entschuldigt man sich nun in Prag, habe man die Eltern der Tenniskönigin gefragt, ob sie denn an diesem Tag Zeit habe. Diese haben dann gemeint, sie sei da wohl anderweitig beschäftigt; ohne zu begründen, ob eine neue Flamme im Spiel ist oder ähnliches. Martinas Eltern sehen das Tohuwabohu jedenfalls gelassen. Nicht aber die von Ivan. Vater Lendl hat sich nun an Prags Presse gewandt. Es gehe bei seinem Protest nicht um seinen Sohn, sondern Ivan und Martina hätten „unseren Sport und unsere Heimat in der Welt bekanntgemacht“. Die zwei stünden schließlich am Ende ihrer Karriere und hätten „Anerkennung“ verdient.

Ach, der Katzenjammer an der Moldau ist groß; und Trude Herr behält recht: Die Welt ist schlecht, ist nicht gerecht! Tomas Niederberghaus