■ Das Portrait
: David Fagan

Mitten auf der neuseeländischen Nordinsel, da wo Agrarbusiness, Ackerbau und Viehzucht zu Hause sind, liegt das Örtchen Te Kuiti. Am Ortseingang ein großes Schild: „Schafscherer- Metropole der Welt“. Hier wohnt auch der vielfache Weltmeister und neue Weltrekordler David Fagan (31): In neun Stunden befreite er 810 Lämmer von einer dreiviertel Tonne Wolle.

Der Mann im Muskelshirt ist freundlich, fast sanft, eher klein, drahtig und alles andere als ein muskelbepackter Schwarzenegger aus dem Stall. Bevor er viel sagen muß, überreicht er sein „Curriculum vitae“, einen vielseitigen Lebenslauf, der all seine Triumphe akribisch auflistet. Er weiß auswendig, wie viele Titel und Rekorde er bislang landen konnte: 235.

Ohne harte Arbeit, eisernen Willen und Hingabe, sagt er, sei der Erfolg unmöglich. „Das Mentale ist wichtig, oder, wie Boris Becker sagt: fast alles entscheidet sich zwischen den Ohren.“ Seinen Lebensunterhalt kann Fagan von den Wettkämpfen nicht bestreiten: Oft hat er deshalb in den letzten Jahren im Ausland gearbeitet, in der Schweiz etwa oder in Norditalien und in England. Einmal, „um neue Erfahrungen mit anderen Schafen zu sammeln“, und weil „Schafscheren dort besser bezahlt wird als in Neuseeland“.

Weltrekordler im Schafscheren Foto: Archiv

Bezeichnungen wie Schafs- Barbier oder Wollfrisör sind nicht Fagans Sache, er findet „Maschinengewehr-Scherer besser, weil wir so schnell sind“. Das paßt: Wenn Fagan herumwirbelt beim Scheren, wirkt es mehr wie ein dauernder Kampf. Alles andere als behutsam faßt er die Tiere an und hält sie „für eine Art Opfer“. Bei seinem Rekord brauchte Fagan keine 40 Sekunden pro Lamm. Totaler Streßakkord: Wissenschaftler haben ausgerechnet, die Anstrengung entspricht zwei Marathonläufen hintereinander.

Lammfleisch kommt bei den Fagans nie auf den Tisch: Er mag es nicht, und Gattin Wendy wird gar schlecht davon. 50.000 Schafe rasiert er pro Jahr, Karrieregesamtzahl: gut eine halbe Million. Das prägt: „Schafscheren ist ein großer Ausgleich zu den sonstigen Dingen im Leben.“ Und nachdenklich ergänzt der Meister: „Es gab Zeiten, da war ich total besessen von der Schönheit des Scherens. Im Schafscheren liegt soviel Rechtschaffenheit, Würde und Integrität.“ Bernd Müllender