Asylschiff bleibt, Senat beschenkt Gröpelingen

Zwar hatte der Weihnachtsmarkt seine Pforten gestern schon geschlossen, jedoch weihnachtete es spätabends noch sehr im Bremer Rathaus. Bürgermeister Nikolaus Wedemeier (SPD) hatte einen kleinen Sack mit Geschenken geschnürt, die er gestern spät noch den Mitgliedern des Beirates Gröpelingen überreichen wollte.

Der Grund für die vorweihnachtliche Bescherung: Der Bürgermeister hat ein schlechtes Gewissen. Die Kommunalpolitiker im Bremer Westen warten immer noch darauf, daß das Wohnschiff aus dem Kohlenhafen gezogen wird. Im Mai hatte der Senat beschlossen: Bis längsten Juni 1994 soll das Schiff im Kohlenhafen liegen bleiben. Bis Ende des Jahres sollten Alternativen zur Unterbringung geprüft werden. Doch daraus wird nun wohl nichts.

Denn das Geld für eine Verlegung ist verfrühstückt. In einem „Tendenzbeschluß“ hatte der Senat am letzten Dienstag beschlossen, die insgesamt 5,2 Mio. Mark für ABM- und Qualifizierungsprogramme auszugeben. Kleiner Formfehler: Die Gröpelinger waren trotz eindeutigen Senatsbeschlusses vorher weder gefragt noch unterichtet worden. Eine grobe Unterlassungssünde: Der Standort Kohlenhafen für das Asylschiff hatte im Mai dazu geführt, daß acht von zehn Beiratsmitgliedern aus der SPD ausgetreten waren.

Im Sack des Bürgermeisters duftete es deshalb gestern lecker nach Versöhnung. Denn der Stadtteil Gröpelingen ist zum Sanierungsgebiet erklärt worden und auf Hilfe an jeder Straßenecke angewiesen. Das weiß auch Wedemeier, und so duftete es lieblich aus dem Geschenkesack.

Zum ersten sollen die Gröpelinger eine Lösung für ihre Heeßlinger Straße angeboten bekommen haben. Das ist eine Verbindung zwischen Ohlenhof und Gröpelinger Heerstraße und steht als Entlastungsstraße schon lange auf dem Wunschzettel der Gröpelinger, sollte bislang aber aus dem Gröpelinger Sanierungstopf bezahlt werden.

Seit langem auch sehnen sich die Gröpelinger nach ihrem alten Fähranschluß zurück. Der liegt mit dem geplanten Rückkauf des ehemaligen AG-Weser-Geländes in greifbarer Nähe. Vom Fährhaus aus, so wünschen es die Gröpelinger, soll man künftig wieder nach Pusdorf, Vegesack und in die Innenstadt fahren können. Last not least könnte der Sozialsenator die Liste der Präsente an die Gröpelinger ergänzen. Dadurch nämlich, daß von rund 650 Plätzen für Flüchtlinge vorzugsweise Gröpelinger Adressen in Hotels und Pensionen abgemietet werden.

Herman-Josef Stell, einer der verlorenen Gröpelinger SPD- Söhne, will sich nicht einkaufen lassen. „Es gibt einen Senatsbeschluß, und wir erwarten, daß der umgesetzt wird. Man kann nicht immer alle sozialen Lasten auf Gröpelingen abwälzen.“

mad / Foto: Katja Heddinga