Selber aufpassen statt Polizei

■ Beiräte haben Zweifel an der Selbsthilfe / Kriminalität in Bremen, Teil 6

Seit Wochen schon tingelt der Chef der Bremer Kripo, Eckhard Mordhorst, durch die Ortsbeiräte. Seine Botschaft: Ruft doch nicht immer nur nach mehr Polizei, sondern tut selber was, um Kriminalität zu verhindern. Konkret: Ein Präventionsrat aus BürgerInnen und Beiräten soll sich kritische Ecken im Stadtteil vorknöpfen, zum Beispiel dunkle Haltestellen oder Fahrradständer vor Schwimmbädern, und Lösungen überlegen. Doch die Begeisterung der Beiräte hält sich in Grenzen. Diese Woche etwa lauschte der Beirat Mitte dem Kripo-Chef zwar mit Interesse, gründete aber mitnichten einen Präventionsbeirat.

Gar keine Lust auf sowas hat zum Beispiel Werner Steinberg, Sprecher der CDU im Beirat: „Wir beschäftigen uns schon mit der Drogenproblematik, machen einen runden Tisch Verkehr ... alles was problematisch ist, drückt man runter zur Basis. Laßt euch mal was anderes einfallen.“ Verbrechensvorbeugung – das ist ureigene Aufgabe der Polizei, findet Steinberg. Soll sie doch mehr in Schulen und Jugendfreizeitheime gehen!

Ohnehin, so Egon Siemers von der SPD, „werden unsere Ideen nicht erhört. Wir haben doch weder Macht noch sonstwas“. Eben, findet auch Werner Knappe von den Grünen: „Der Runde Tisch im Drogenbereich hat diskutiert und diskutiert und jetzt doch keine Einflußmöglichkeiten – wir wollen nicht das Feigenblatt abgeben“.

Hat das Ganze nicht sowieso was von „An-den-Symptomen-Rumdoktern?“ Liegen nicht die Ursachen von Kriminalität ganz woanders? Es sei zwar politisch sinnvoll, die Leute ein bißchen zu beruhigen durch solche Aktionen, findet FDP- Beirat Ralf Mulde, „aber am Problem, zum Beispiel der wachsenden Armut verändert das doch nichts“.

Büsche zurückschneiden an dunklen Wegen, Unterführungen heller ausleuchten – „sowas machen wir doch eigentlich schon jetzt“, meint Ortsamtsleiter Hucky Heck. So bemüht sich gerade eine Initiative um einen Zaun mit Tor für den kleinen Park in der Weberstraße – sie möchte ihn tagsüber öffnen. Derzeit ist der Park provisorisch abgeriegelt. Doch der Innensenator hat schon abgewinkt, als er um einen Zuschuß für den Zaun angegangen wurde.

Ein bißchen aufgeschlossener haben die Bremen-Norder Beiräte auf die Ideen des Kripochefs reagiert. Sie gründeten zwar auch keine Präventionsbeiräte, wollen aber zum Beispiel künftig bei der Genehmigung von Bauanträgen darauf achten, daß Geschäfte auch ihre Hintereingänge sichern – seit neuestem kommen Einbrecher nämlich seltener durchs Schaufenster.

Vegesacks Ortsamtleiter Reiner Kammeyer hat allerdings leichte Bauchschmerzen, wenn er an diese neue Art der Prävention denkt: Wenn Bürger mehr aufeinander achtgeben sollen, gerate man schnell in die Nähe der Bürgerwehr. In den Niederlanden hat man schon weitergedacht: Könnten nicht BusfahrerInnen, HausmeisterInnen oder das Ausichtspersonal in Einkaufszentren einen Teil der Polizeiaufgaben übernehmen, fragt man sich dort. Allerdings beschränkt sich in den Niederlanden die Verantwortung der „gesamten Volksgemeinschaft“ nicht nur auf die bloße Kontrolle: Durch eine intensivere Betreuung von Schülern konnten das Schuleschwänzen eingedämmt werden – und damit wohl auch einige Klautouren verhindert werden. Christine Holch