: Etwas Warmes kriegt der Mensch
■ Obdachlos kann jeder werden: Aktionswoche von „Bürgerhilfe“ für ein Heim
„Hier herrscht absolutes Alkoholverbot!“ steht auf dem Schild, das einem in der Wärmestube sofort ins Auge fällt. Die Wärmestube in Kreuzbergs Wrangelstraße wird vom „Bürgerhilfe e.V.“ betrieben. Sie bietet Obdachlosen täglich zwischen 12 und 16 Uhr warme Getränke und Waschmöglichkeiten. Der Verein verfügt außerdem seit 1991 über ein ehemals besetztes Haus in der Treptower Kiefholzstraße. Dort sind außer 17 Hausbesetzern auch 13 Obdachlose untergebracht.
Der im April 1989 zunächst als Selbsthilfeprojekt gegründete Verein stellt eine Aktionswoche vor, die unter dem Motto „Pech gehabt? – Berliner helfen Obdachlosen“ zum Ziel hat, Spendengeld für die Anmietung weiterer Häuser in Treptow und Marzahn zu sammeln. Dort sollen vorwiegend suchtkranke Obdachlose in pädagogisch betreuten Wohnprojekten leben. „Kein Arbeitnehmer darf ernsthaft glauben, daß er nicht auch von Arbeitslosigkeit betroffen sein kann“, mahnt Horst Gedack. Der Vorsitzende von Bürgerhilfe e.V. verweist darauf, daß die tatsächliche Obdachlosigkeit dreimal so hoch sei wie die offiziell verkündete: die liege derzeit bei 12.000. Nach Ansicht des Vereins kann aktive Hilfe bei der Wohnungssuche nicht nur von der Politik verlangt werden, die mit diesen Problemen überlastet sei und zudem häufig fragwürdige Prioritäten setze.
Die unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen stehende Aktionswoche hat im Druckhaus Mitte und in einer bekannten Werbeagentur vorwiegend private Unterstützer gefunden. Die leibliche Abwesenheit des Schirmherrn bei der Präsentation der Projektwoche weist indes eher auf unverbindliches Wohlwollen als auf wirkliches Engagement der Politiker hin. Dennoch, der Eifer der MitgliederInnen des „Bürgerhilfe e.V.“ ist ungebrochen, und sie verstehen es, ihre praktische Hilfe mit politischen Forderungen zu verknüpfen.
Unter anderem verlangt der Verein, daß die Unterbringungsniveaus in den „Läusepensionen“ gewerblicher Anbieter regelmäßig durch sogenannte Heimbegeher überwacht werden müssen. Auch gelte es, die Kooperation mit den Wohnungsbaugesellschaften zur Vermeidung von Zwangsräumungen zu verstärken. Am 4. und 11. Dezember, jeweils zwischen 11 und 17 Uhr, werden Mitglieder des Vereins an sechs verschiedenen Orten in der Stadt mit Informationsmaterial auf die Not von Obdachlosen aufmerksam machen und bei dieser Gelegenheit auch Spenden sammeln.
Die Finanzierung der Häuser in Treptow und Marzahn soll nach den Plänen des Vereins durch eine Kostenübernahme privater und gemeinnütziger Organisationen gewährleistet werden. Der „Bürgerhilfe e.V.“ verhandelt bereits mit Wohnbaugesellschaften über langfristige Mietverträge. In den geplanten Projekten sollen bis zu 25 Bewohner untergebracht und Wärmestuben eingerichtet werden. Peter Lerch
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