Die Eiche stirbt aus

Bonns Ernährungsminister legt den „Waldzustandsbericht“ 1993 vor: 36 Prozent der Bäume gesund  ■ Aus Bonn Hans Monath

Zur Zwei-Drittel-Gesellschaft den Ein-Drittel-Wald: Selten ist eine Katastrophenbeschreibung so unbeteiligt präsentiert worden wie gestern der „Waldzustandsbericht 1993“ von Ernährungsminister Jochen Borchert (CDU). Nicht einmal bei der abschließenden Beschwörung der Verantwortung für kommende Generationen hob der knochentrockene Landwirt und CDU-Politiker vor der Bundespressekonferenz die Stimme — Grund genug hätte er gehabt: Nur 36 Prozent aller Bäume in Deutschland, so weist der Bericht aus, sind „ohne erkennbare Schadmerkmale“.

Zum zehnten Mal legte die Bundesregierung den jährlichen Krankenstandsbericht des Waldes vor. Borchert meint, die Lage sei „nach wie vor schwierig“ aber „Katastrophenstimmung“ sei deshalb nicht angebracht. Zu schaffen machten dem wald vor allem Luftschadstoffe, Insekten und die Folgen der Sturmkatastrophe von 1990. Durch das Aktionsprogramme „Rettet den Wald“ seien jedoch die Lustschadstoffe „deutlich zurückgegangen“.

Der Bericht verzeichnet einen Rückgang der deutlich geschädigten Bäume um drei Prozentpunkte auf 24 Prozent. 40 Prozent der Bäume zeigen danach schwache Schäden. Am stärksten betroffen sind Tanne und Eiche mit 51 beziehungsweise 45 Prozent deutlichen Schäden, in der Liste der maladen Hölzer folgen Buche (32 Prozent deutliche Sächen), Fichte (22 Prozent) und Kiefer (20 Prozent).

Gravierende Unterschiede gibt es in den einzelnen Ländern: Thüringen ist mit 50 Prozent deutlich geschädigter Bäume Spitzenreiter, in Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Sachsen- Anhalt und Hessen liegen die Werte zwischen 30 und 35 Prozent, während in Rheinland-Pfalz (14 Prozent) und Nordwestdeutschland (16 Prozent) der Wald noch relativ gesund ist.

Schon vor zwei Wochen hatte der BUND die Zahlen des Waldzustandsberichts veröffentlicht und dabei die Angaben über den Rückgang der geschädigten Bäume kritisiert: Die vermeintlich gute Nachricht verdanke sich allein den von Bayern veröffentlichten Zahlen, die für den Freistaat einen Schadensrückgang von 13 Prozent ergeben. Aber trotz ähnlicher Bedingungen in den Nachbarländern klagten die Forstwirte dort über einen Anstieg der Schäden.

Der BUND zeigte sich auch gestern enttäuscht: Borchert habe in seiner Stellungnahme keine einzige konkrete Forderung zum Schutz des Waldes formuliert. „Unverfroren“, so BUND-Sprecher Helmut Klein, sei die Aussage Borcherts, die Anstrengungen zur Luftreinhaltung hätten einen Rückgang des Schadstoffausstoßes bewirkt. Der leichte Rückgang von Luftschadstoffen sei einzig und allein eine Konsequenz des wirtschaftlichen Zusammenbruchs in den neuen Bundesländern. Zu helfen sei dem Wald nur durch die Einführung einer Energiesteuer oodr die drastische Erhöhung der Mineralölsteuer sowie durch ein Tempolimit.