Hamburg wird rot-grau

SPD und Statt Partei wollen Anfang kommender Woche ihr Regierungsbündnis besiegeln / Am Zustandekommen der Koalition zweifelt niemand mehr  ■ Aus Hamburg Uli Exner

Rekordverdächtig sind sie jetzt schon, Hamburgs SPD und ihr künftiger Regierungspartner, Markus Wegners Statt Partei. Anfang kommender Woche, gerade mal vierzehn Tage nach dem Beginn ihrer Gespräche, wollen sie ihren Verhandlungssprint mit einem Kooperationsabkommen abschließen. Rot-Grau statt Rot-Grün, daran zweifelt in der Hansestadt niemand mehr. Welches Thema sich die je zwölfköpfigen Verhandlungsdelegationen um Wegner und den sozialdemokratischen Senatschef Henning Voscherau in den vergangenen zwei Wochen auch immer vornahmen, sie wurden schnell handelseinig. Ohne mit der Wimper zu zucken winkten die Polit-Novizen – im September aus dem Stand mit 5,6 Prozent ins Parlament eingezogen – all jene „Eckpunkte“ Voscheraus durch, an denen zuvor die Verhandlungen mit den Grünen gescheitert waren. Hafenerweiterung – kein Problem, Elbvertiefung – O.K., vierte Elbtunnelröhre – was sonst. „Warum sollten wir Konflikte inszenieren, wenn wir mit der SPD übereinstimmen“, fragt Dieter Brandes, frisch gewählter Chef der Ex-Protestpartei.

Selbst an den wenigen Punkten, an denen die Statt Partei auf ihren Positionen beharrte – Einsparungen und Reformen im öffentlichen Dienst, im Kultur- und Wissenschaftshaushalt –, hielten sich die UnterhändlerInnen nicht länger auf, sondern retteten sich in die von Voscherau sonst so demonstrativ abgelehnten „Formelkompromisse“. Wer was unter welchen Umständen sparen muß, soll eine gemeinsame „Sparkommission“ austüfteln – im nächsten Jahr.

So weit trieb Wegner seine im politischen Alltagsgeschäft unerfahrenen Getreuen auf Schmusekurs, daß diese sogar dem Vorschlag der SPD zustimmten, neue Schulden aufzunehmen, um die auch im reichen Hamburg inzwischen schwindsüchtige Stadtkasse ein wenig zu päppeln. Ein Ausweichmanöver, das die Statt Partei vor Beginn der Verhandlungen noch als Teufelswerk abgelehnt hatte, das der SPD aber einen nicht gerade unerwünschten Nebeneffekt einbringt: bis zu den nächsten Bundestagswahlen spüren die Hamburger die Sparzwänge nicht am eigenen Geldbeutel. Das von Voscherau angekündigte „Heulen und Zähneklappern“ in Form von Gebührenerhöhungen und Leistungseinschränkungen im öffentlichen Dienst kommt erst später.

Wenig verwunderlich, daß sich bei soviel Entgegenkommen in der Statt Partei inzwischen Protest regt. „Es gibt überhaupt keine Informationen aus den Verhandlungen“, beklagt Jürgen Warmke, neben Wegner zweiter prominenter CDU-Dissident in der Statt Partei den Alleingang der Verhandlungsdelegation. Von der Wählervereinigung im Vorfeld der Bürgerschaftswahlen proklamierten Transparenz sei kaum etwas zu spüren.

In der Tat: Die Statt-Partei-Abgeordneten – mit der knackigen Formel „bei fünf Prozent kontrollieren Sie mit“ in den Bürgerschaftswahlkampf gezogen – haben ihre Anhänger bisher nicht gerade mit Informationen überschüttet. Erst am 12. Dezember sollen die rund 600 Mitglieder der Wählervereinigung über die Verhandlungsergebnisse unterrichtet werden, drei Tage vor der geplanten Senatswahl. Kaum zu glauben, daß der Eintrag ins Guinness-Buch dann noch zu verhindern ist.