Gynäkologen schneiden so gern

■ Immer noch werden viel zu viele Frauen „leergeräumt“ / Neuer Ratgeber

Jutta S. hielt sich für gewappnet - zehn Jahre hatte sie selbst als Krankenschwester gearbeitet. Nun kam sie wegen einer Zyste am Eierstock als Patientin auf eine Bremer Gynäkologie-Station. Die Zyste wollte sie entfernen lassen, bei Bösartigkeit auch den einen Eierstock. Auf der Einwilligungserklärung allerdings sollte sie die Entfernung beider Eierstöcke unterschreiben. Jutta S. weigerte sich, stritt noch in der Nacht vor der OP mit einem Arzt, damit der den Zettel ändere. Endlich gab er nach. Als Jutta S. aus der Narkose erwachte, fehlten beide Eierstöcke, auch der gesunde. Nun verlangt sie Schmerzensgeld.

Für den Titel „Facharzt“ müssen Gynäkologen 270 Operationen nachweisen, davon 40 Totaloperationen. Schnell sind Assistenzärzte also dabei, eine Totaloperation zu empfehlen oder eine Geburt mit einem Kaiserschnitt zu beenden. Und das Schneiden nimmt zu: Seit 1966 hat sich die Zahl der Gynäkologen verdreifacht. Also mußte auch mehr „Patientengut“ operiert werden. Diesen Zusammenhang stellt Eva Schindele in ihrem soeben erschienenen Buch „Pfusch an der Frau - Ratgeber für einen anderen Umgang mit dem Frauenarzt“ (erschienen bei Rasch und Röhring) her. Am Donnerstag las sie im Gesundheitsladen. Von Ärzten ist hier die Rede, weil Ärztinnen nur halb so häufig zur Operation raten.

„Jede dritte deutsche Frau über 40 Jahre hat keine Gebärmutter mehr“, sagt Eva Schindele, „dabei sind 80 Prozent der Operationen überflüssig“. Oft nämlich verschwinden gutartige Wucherungen in den Wechseljahren. Viele Frauen klagen nach der Operation über Inkontinenz, Rückenschmerzen, Depressionen. Nur bei Krebs, starken Blutungen und mit Gymnasitk nicht zu behebenden Vorfällen des Organs ist eine Gebärmutterentfernung sinnvoll, sind sich Frauengesundheitszentren einig. Übrigens: In Schweden, wo es ein staatliches Gesundheitssystem gibt, also keine Belegbetten, werden viermal weniger Gebärmütter entfernt.

Eva Schindele geht jedoch über das Lamentieren über Frauenärzte hinaus. Schuld haben auch die Frauen: Viele sehen es heute als selbstverständlich an, von ihrer Jugend bis ins hohe Alter regelmäßig ihre inneren und äußeren Geschlechtsorgane untersuchen zu lassen. Sie gehen also mitnichten nur dann zum Arzt, wenn sie krank sind. Neunzig Prozent ihrer Tätigkeit, so eine Frauenärztin, bestünden darin, die Pille zu verschreiben oder den Frauen zu bestätigen, daß sie in Ordnung und normal sind. Die Frauen sollten ihre eigene Geschlechtlichkeit nicht mehr als kontrollbedürftig, gar krankhaft begreifen, sagt Schindele, das wäre ein erster Schritt aus der Abhängigkeit von der Gynäkologie.

Ja sind denn Vorsorgeuntersuchungen nicht wichtig, fragt sich da manche. Doch kritische GynäkologInnen halten einen Krebsabstrich alle drei bis fünf Jahre für völlig ausreichend. Der Gebärmutterhalskrebs breite sich nämlich nur sehr langsam aus. Die Vorsorge schüre mehr Ängste, als daß sie die Frauen wirklich vor Krebs bewahre. So müssen 40.000 Frauen Abstriche machen lassen, damit eine Frau vor Gebärmutterhalskrebs gerettet wird.

Frauen jedoch, die abwarten wollen, ob sich die Zellveränderungen nicht von selbst wieder zurückbilden - in einer ruhigeren Lebensphase etwa - werden als „leichtsinnig“ beschimpft. Unterschwellig wird ihnen mit dem Tod gedroht. Interessant auch, daß alle Brustkrebs-Vorsorgeprogramme in den USA die Sterberate an diesem Krebs nicht haben senken können. Ohnehin werden 50 Prozent der Brustkrebse von den Frauen selbst ertastet. Die Euphorie für die Krebsvorsorge diene, zitiert Eva Schindele einen Insider, „oft eher den eigenen Interessen als denen der Frauen“. cis