Zuckerbrot mit Peitsche

■ Einigen Marzipanherstellern wird der Nikolaus eine Rute in den Stiefel stecken - sie haben verschimmelte Mandeln benutzt / Dazu geizen sie mit den bittersüßen Zutaten / Traditionsmarken naschen lohnt

Während einer schweren Hungersnot gab es kein Mehl mehr zum Brotbacken – so beginnen zahlreiche Sagen über den Ursprung des Marzipans im frühen Mittelalter. Ein erfinderischer Bäcker hatte noch Zucker und Mandeln auf dem Speicher und buk daraus köstliche „Brote“ für die darbenden Menschen. In Wirklichkeit ist die Geschichte des Marzipans viel älter und beginnt in Persien. Dort war seine Zubereitung aus Mandeln und Honig schon im Altertum bekannt. Zucker nahmen die Araber dann im 10. Jahrhundert, als sie aus dem fernen Indien eingeführtes Zuckerrohr kultivierten.

Mit der industriellen Herstellung von Marzipan hat sich an dem Grundrezept nicht viel geändert: Mandeln werden überbrüht, enthäutet, kleingemahlen, mit Zucker vermischt, fein zerrieben und erhitzt. Die entstandene „Rohmasse“ darf höchstens 35 Prozent Zucker und 17 Prozent Wasser enthalten. Nach dem Abkühlen wird sie entweder portioniert und als Rohmasse verkauft oder zu den verschiedenen Marzipanqualitäten weiterverarbeitet.

Für ein „Niederegger Marzipan“, das ist eine firmeneigene Qualitätsbezeichnung des gleichnamigen Lübecker Herstellers, darf der Masse kein Zucker mehr zugesetzt werden. Eine Rohmasse, die zehn Prozent Zucker in sich hat, darf „Lübecker Edelmarzipan“ genannt werden, bei bis zu 30 Prozent Zucker nur noch „Edelmarzipan“. Darüber hinaus wird aus dem edlen Barren ein einfaches „Marzipan“. Erlaubt ist aber, die Rohmasse im Verhältnis eins zu eins mit Zucker zu strecken. Einfaches „Marzipan“ darf somit 67,5 Prozent des süßen Stoffes enthalten.

Öko-Test wollte wissen, ob die süße Leckerei so gut ist wie ihr Ruf und hat exemplarisch 20 Marzipane geprüft. Das Ergebnis ist enttäuschend: Nur vier sind ohne Einschränkung „empfehlenswert“. Die rechtliche Klassifizierung von Marzipan als „Mandelspeise“ haben wir dabei wörtlich genommen. Jedes Produkt, das nicht mindestens zur Hälfte aus Mandeln bestand, wurde um eine Stufe abgewertet.

In zwölf Produkten hat das Öko-Test-Labor Aflatoxine gefunden. Diese Lebergifte gelangen über verschimmelte Mandeln in das Marzipan. Gesetzlich sind zwar 4.000 Nanogramm (milliardstel Gramm) Aflatoxine pro Kilogramm Marzipan erlaubt. Da die Mandelbarren aber auch von Kindern, schwangeren Frauen und stillenden Müttern verzehrt werden, hat sich Öko-Test bei der Bewertung des Aflatoxingehaltes auf die sichere Seite begeben. So sieht die Verordnung über diätetische Lebensmittel Aflatoxine einen Grenzwert von 50 Nanogramm pro Kilogramm (ng/kg) vor. Alle Marzipane, die über diesem Wert liegen, haben wir darum um eine Stufe abgewertet. Am stärksten belastet war mit 388 ng/kg das Vitana „Premium Honig-Marzipan“, das es in Reformhäusern zu kaufen gibt.

Weniger problematisch ist die in Marzipan enthaltene Blausäure, die aus aus Bittermandeln stammt. Während andere Lebensmittel maximal ein Milligramm Blausäure pro Kilogramm (mg/kg) enthalten dürfen, sind in Marzipan 50 mg/kg erlaubt. Den Spitzenwert von 15,5 mg/kg fanden wir in „Erasmi Edles Lübecker Marzipan“. Isoliert aufgenommen, könnte diese Menge für ein Kleinkind problematisch werden, denn ein Milligramm Blausäure pro Kilogramm Körpergewicht ist für Menschen tödlich.

Aber da gibt es keinen Grund zur vorweihnachtlichen Panik: Steckt die Blausäure im Marzipan, wird sie nur langsam freigesetzt und schnell vom Körper entgiftet. Außerdem reagiert sie im menschlichen Verdauungstrakt mit Zucker zu harmlosen Verbindungen, wenn der süße Stoff in großen Mengen aufgenommen wird. Peter Hermes