Pflegeversicherung wieder geplatzt

■ Überkompensation für Arbeitgeber?

Die gestrige Verhandlungsrunde zur Pflegeversicherung ist geplatzt, ein Rest Hoffnung bleibt: am kommenden Dienstag wollen die Spitzenpolitiker von SPD und Koalition erneut versuchen, den Streit um die Finanzierung auszuräumen. Daran sind die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition bisher gescheitert. „Tief enttäuscht“ und guter Dinge demonstrierte SPD-Parteichef Rudolf Scharping im Anschluß an die Runde im Kanzleramt noch einmal die große Bereitschaft seiner Partei zum Kompromiß. Die SPD war FDP und Union in einem wesentlichen Punkt entgegengekommen. Sie ist zur Kompensation des Arbeitgeberanteils an den Pflegeversicherungsbeiträgen bereit und war mit dem Vorschlag in die Verhandlungen gegangen, dafür einen Feiertag zu streichen. Auch nach den Zahlen aus dem Arbeitsministerium wäre der Arbeitgeberanteil damit gedeckt. Der vorliegende Regierungsentwurf sieht eine zwanzigprozentige Lohnsenkung an zehn Feiertagen vor. Wie Kanzleramtsminister Friedrich Bohl erklärte, ist die Koalition zu Modifikationen bereit. In einer ersten Stufe, zum 1.7.1994 soll ein Feiertag gestrichen oder ein zehnprozentiger Lohnabschlag an zehn Feiertagen eingeführt werden. In der zweiten Stufe, wenn auch die Pflegebedürftigen in Heimen Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, soll ein weiterer Feiertag gestrichen beziehungsweise ein zwanzigprozentiger Lohnabschlag gelten. Für die SPD war nicht nur das Volumen inakzeptabel. Man könne den Arbeitgebern nicht runde 10 Milliarden Überkompensation zuschanzen, so Scharping. Lohnabschläge lehnt die SPD als Eingriff in die Tarifautonomie generell ab. In der Koalition besteht vor allem die FDP auf einem größeren Finanzierungsvolumen.

Wenn am Dienstag keine Einigung zustande kommt, wird die Verabschiedung der Pflegeversicherung in diesem Jahr unwahrscheinlich. Der Bundestag absolviert in der kommenden Woche die letzten Sitzungen dieses Jahres. Tissy Bruns