Schalck-Ausschuß: Panne ermöglicht Wahrheitsfindung

■ Brisante Akten des BND wieder gesperrt Abgeordnete konnten kurz Einsicht nehmen

Bonn (taz) – Ein kurzer Blick in die brisanten Akten, mehr war nicht drin: Gestern hat der Vorsitzende des Schalck-Untersuchungsausschusses, der CDU-Abgeordnete Friedrich Vogel, Aktenordner mit Material gesperrt, aus denen hervorging, wie gut westdeutsche Behörden durch Spitzel und Überlaufer schon Anfang der achtziger Jahre über Schalcks Firmenimperium „Kommerzielle Koordinierung“ (Koko) und dessen Verstrickung mit der Stasi informiert waren. Die Unterlagen waren dem Ausschuß – offensichtlich versehentlich zusammen mit Vernehmungsprotokollen Schalcks – von der Bundesanwaltschaft am Mittwoch zur Verfügung gestellt worden waren. Daraufhin waren sie für die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in der Geheimschutzstelle des Bundestages kurzzeitig zugänglich.

Schon im November 1992 hatte der Ausschuß das Material des Bundesnachrichtendienstes (BND) angefordert und seither vergeblich gewartet. Erst einen Tag vor dem geplanten Ende der Zeugenvernehmung standen die 40 Aktenordner den Abgeordneten dann am Mittwoch plötzlich zur Verfügung. Gestern beteuerten der Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU) und Justiz-Staatssekretär Ingo Kober in der geheimen Sitzung des Ausschusses, an der Bundesregierung habe das nicht gelegen. Sie verwiesen auf die „untergeordneten Behörden“ BND und Bundesanwaltschaft. Die Übersendung der Akten durch die Karlsruher Behörde stellten sie als eine Panne dar.

Zwei der Ordner, die die Abgeordnete Ingrid Köppe (Bündnis 90/Grüne) am Mittwoch eingesehen hatte, enthalten Aussagen des ehemaligen Leiters der Schalck-Firma „Kunst und Antiquitäten“ gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Der Mann, der 1983 übergelaufen war, offenbart darin den Pullacher Geheimdienstlern sein umfangreiches Wissen über die Koko und über Mitarbeiter der Staatssicherheit in Schalcks Imperium.

Die Oppositionsabgeordneten im Ausschuß sehen sich durch diese Informationen in ihrem Verdacht bestätigt, die Bundesregierung sei frühzeitig über das Treiben Schalcks informiert gewesen und versuche nun, den ehemaligen Koko-Chef zu decken. Die BND-Akten blieben dem Ausschuß bisher vorenthalten – um westdeutsche Drahtzieher, Politiker, Beamte und Geschäftspartner Schalck-Golodkowskis zu decken, vermutet Ingrid Köppe: „Viele dieser MfS-Mitarbeiter sind noch heute in führenden Positionen im vereinten Deutschland tätig. Die Bundesregierung schützt sie und setzt damit die konspirativen Stasi-Methoden fort.“ Zwei Jahre lang hatte der Ausschuß in mühsamer Kleinarbeit die Verästelung von KoKo- Waffenhandel, Häftlingsverkauf und sonstige Devisenbeschaffung aufgeklärt. „Mit diesen Unterlagen“, so der SPD-Abgeordnete von Bülow, „hätte man sich den Ausschuß fast sparen können.“

Die Begründung für die Geheimhaltung der Akten lautet offiziell „Quellenschutz“. Ingrid Köppe wollte gestern die „Entsperrung“ erreichen, aber ihr Antrag wurde im Ausschuß nicht zugelassen. Bülow forderte erneut die Verlängerung der Beweisaufnahme. Am kommenden Mittwoch will der Ausschuß darüber beraten, ob die Beweisaufnahme verlängert wird. Auch soll dann klar sein, ob die brisanten Aktenordner den Vertreterinnen und Vertretern des Volkes für ihre Arbeit zur Verfügung stehen. Hans Monath