„Weg vom Staat, hin zur Initiative!“

■ Im Gespräch: Hans-Jacomo Hollinger, Kulturexperte der STATT-Partei Von Till Briegleb

Hans-Jacomo Hollinger ist Fraktionsvorsitzender der STATT-Partei im Altonaer Rathaus und Leiter des Kultur-Ausschusses der Partei. Er berät Christian Bölckow, der in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD für Kultur zuständig ist. Hollinger ist Bühnenbildner, zuletzt an den Kammerspielen unter Ida Ehre.

Mit ihrem absurden Vorschlag, die Werkstattbühnen der Staatstheater zu schließen, hat sich die STATT-Partei nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wie kommt es zu so inkompetenten Vorschlägen?

Da hat Markus Wegner etwas schnell reagiert. Er leidet seit fünf Monaten an einer manischen Arbeitsüberlastung und hat Probleme zu delegieren. Dieser Vorschlag ist nicht mit mir abgestimmt gewesen. Ich kann das auch nicht gutheißen.

Was wollen Sie in der Kulturpolitik ändern?

Ich gehe davon aus, daß in den nächsten Jahren Kulturbetrieb ein ganz tragender gesellschaftlicher Faktor wird. Wir müssen andere Möglichkeiten finden, vor allem denen, die keine Arbeit haben, etwas Sinnvolles anzubieten. Das geht nicht mehr mit den Methoden der 70er, die wir bisher hatten. Deswegen muß es gelingen, eine neue Struktur zu schaffen, die über die Ressort-Töpfe hinwegdenkt. Wenn ich ein gutes Programm für Heranwachsende anbiete, dann brauche ich später mit Sicherheit aus anderen Töpfen weniger Geld.

Wollen Sie dazu eine neue Behörde für Vernetzung gründen?

Vernetzung ist der beste Begriff dafür, aber Behörde, um Gottes Willen nein. Es ist doch in allen Behörden den Leuten im Prinzip klar, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann. Da muß der Faktor Selbstorganisation reinkommen. Dazu gibt es in den Stadtteilen ja ganz prima Ansätze.

10 Prozent Kürzungen bei Staatsbetrieben

Das bedeutet also, daß die STATT-Partei ihren Schwerpunkt auf die selbstinitiative Kultur legt?

Ja. Weg vom Staat, hin zur Initiative, die die Leute vorort für ihren Stadtteil entwickeln. Und dazu muß man Gelder aus den Sozialtöpfen umleiten. Ich möchte mit den sozialen Referaten Gespräche führen, um ihnen klar zu machen, daß bestimmte soziale Krankheiten vermeidbar sind, wenn man im Kulturbereich den Leuten die Möglichkeit gibt, sich sinnvoll zu beschäftigen. Und das muß eine Nummer aktueller sein als bisher. Die Kids in Steilshoop sind nicht mehr mit Tischtennisplatten zu befriedigen. Außerdem müssen wir die Kluft zwischen Künstlern und den Leuten verkleinern. Dazu stelle ich mir kleine Symposien vor, runde Tische mit Künstlern, Presse und interessierten Bürgern.

Und wie wollen Sie mit der etablierten Groß-Kultur umgehen?

Die Museumsinsel ist gelaufen. Man kann noch mal darüber nachdenken, ob alles „aus Gold“ sein muß. Aber danach möchte ich einen großen Strich machen. Die Theater sollen selbst entscheiden, wo sie sparen, denn die wissen es am Besten. Ganz entschiedener Gengner bin ich von pauschalen Kürzungen. Speziell bei kleineren Instituten machen sie mit 10 Prozent weniger das Licht aus. Wenn sie beim Staatstheater 10 Prozent sparen, dann sind das Millionenbeträge, aber die können die noch wegdrücken.

In Ihrer Partei wird laut darüber nachgedacht, was man für entbehrlich hält, etwa die Sinfoniker.

Nach knapp zwei Monaten Arbeit, werde ich den Teufel tun, irgendeiner Institution zu sagen, ihr müßt leider dichtmachen. Das kann ich vielleicht in einem halben Jahr. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob derartige Schließungen den gewünschten Effekt geben.

Ihre Partei war immer sehr schnell dabei zu sagen, bei der Kultur kann man sparen. In welcher Größenordnung gilt das?

Bei den Staatsbetrieben kann man siebenstellige Summen einsparen. Aber das geht nur mit den Intendanten und Direktoren zusammen. Überhaupt nicht sparen kann man bei den kleinen Theatern, den Halbsubventionierten und der Stadtteilkultur. Aber längerfristig möchte ich es hinbekommen, daß man allgemein erkennt: Kultur ist ein Kardinalbetrieb, der verschiedene Ressorts umspannt. Dazu muß man allerdings erst bereit sein, in Kultur zu investieren.

Hotelmanger als Kultussenator

Ein sicherlich extrem unpopulärer Vorschlag.

Ganz richtig. Und ich glaube auch nicht, daß wir das in dieser Legislaturperiode und schon gar nicht in diesen Verhandlungen durchkriegen. Aber wir müssen langfristig mit der SPD über grundsätzlich andere Investitionen und Ressortverteilungen nachdenken. Dazu braucht es natürlich auch eine andere Spitze in der Kulturbehörde. So gut wie Frau Weiss ist, aber es darf einfach nicht mehr jemand fachfremdes, eine Literaturfrau, in diesen Bereich hinein. Da muß ein Generalmanager hin. Zum Beispiel ein Hotelmanager, der etwas von Begriffen wie Corporated Identity weiß, der Kulturmanagement und den Kunst-Mainstream kennt, also ein wirklicher Allround-Mensch, der die Kulturbehörde von oben nach unten durchforstet und ganz unpopulär Leute rausschmeißt.

Wie wird die Behörde dann organisiert?

Man setzt oben einen Generalmanager und darunter Beiräte, die aber Kompetenz haben. Die Funktionen dürfen nicht mehr auf den Beamten liegen. In der freien Wirtschaft könnte man sich einen solchen Betrieb überhaupt nicht leisten. Und man kann sich als Behörde durchaus Hilfe holen von Management-Organisations-Fachleuten. Die wissen ganz genau, wie ein Betrieb heutzutage organisiert werden muß, damit er effektiv arbeitet. Das gilt für die Kultur- wie für jede andere Behörde.

Ist die Zusammenlegung von Kultur- und Wissenschaftsbehörde noch ein Thema für Sie?

Ich bin nicht glücklich darüber, aber wenn es sein muß, um zu sparen, bin ich einverstanden.

Können Sie bestätigen, daß die STATT-Partei den Wirtschafts- sowie den kombinierten Wissenschafts- und Kultursenator stellen wird?

Ja. Ich unterstelle, daß das so wird.

Haben Sie schon eine Person für den neuen Kultussenator im Kopf?

Nein. Und wenn, würde ich es Ihnen zum jetztigen Zeitpunkt auch noch nicht sagen.