„Das Toben der Siedlermilizen einstellen“

US-Außenminister Christopher in Jerusalem: Mehr Schüsse jüdischer Siedler auf Palästinenser / Regierung Untätigkeit vorgeworfen / Protestdemonstration in Jerusalem  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Parallel zum Besuch von US- Außenminister Warren Christopher in Israel haben radikale jüdische Siedler ihre Angriffe auf die palästinenische Bevölkerung verstärkt. Mindestens acht palästinensische Bürger der Stadt Hebron wurden am Wochenende bei Siedlerangriffen verwundet, zwei davon schwer. Einer der Schwerverletzten, der 54jährige Gemüsehändler Talal Bakri, ist seinen Wunden inzwischen erlegen.

Nach den blutigen Ereignissen des Wochenendes haben die Sicherheitsbehörden fünf israelische Siedler aus Kiriat Arba, der jüdischen Vorstadtsiedlung von Hebron, in Untersuchungshaft genommen. Sie werden verdächtigt, auf Palästinenser geschossen zu haben.

In der Nähe von Hebron hatten Siedler am Freitag Straßensperren aufgebaut, an denen sie palästinensische Autos anhielten und die Passagiere angriffen und einige verletzten. Die Täter wurden nicht verhaftet, obgleich die Vorgänge sowohl von militärischen als auch zivilen Fotografen im Detail festgehalten wurden.

Palästinenser überfiel Bus

Gestern morgen erschossen israelische Soldaten dann in der Nähe von Tel Aviv einen Palästinenser, der aus einem Flüchtlingslager in Gaza stammte. Der als Terrorist bezeichnete Mann soll versucht haben, sich eines Autobusses und seiner Passagiere zu bemächtigen. Auch ein Passagier erlitt schwere Verletzungen durch das Feuer der israelischen Soldaten. Israelische Quellen melden, daß der „Islamische Jihad“ die Verantwortung für den Attentatsversuch übernommen hat. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse rief Christopher gestern kurz vor seinem Abflug nach Damaskus alle Seiten dazu auf, von Gewalttaten abzusehen und maximale Zurückhaltung zu üben.

Schulamit Aloni, Ministerin für Kommunikation, beschuldigte israelische Soldaten, nichts zu tun, um die Überfälle auf Palästinenser zu verhindern, obwohl sie vorab über entsprechende Pläne radikaler Siedler unterrichtet gewesen seien. Einige Minister verlangten ein Eingreifen von Ministerpräsident und Verteidigungsminister Jitzhak Rabin, um eine Wiederholung der Vorgänge in Hebron zu verhindern. Einwanderungsminister Yair Zaban sagte: „Wenn wir dieses Toben der Siedlermilizen nicht sofort einstellen, werden wir morgen vor einer nicht mehr kontrollierbaren Situation stehen.“

Warnungen vor einem Staat im Staate

Der Minister für Tourismus, Uzi Baram, forderte Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, die verhindern sollen, daß die national-religiösen Siedlermilizen zu einer eigenen Militärorganisation als Staat im Staat werden, der – wie einst die Falangisten in Libanon – den Verlauf der Dinge diktiert und schließlich in den Bürgerkrieg führt. Es sei die Aufgabe des Militärs, dem Wüten der Siedler unverzüglich Einhalt zu gebieten, erklärte Minister Baram.

Knessetmitglied Haim Oron (Mapam-Meretz) bemerkte, es entstünde der Eindruck, daß die Soldaten keine klaren Befehle erhielten, wie sie mit Siedlern umzugehen hätten, die Palästinenser angreifen. Auch Knessetabgeordneter Ran Cohen äußerte den Verdacht, daß es „im Sicherheitsapparat Elemente gibt, die mit den Siedlern zusammenarbeiten und ihnen ihren Vandalismus ungestraft durchgehen lassen“.

In Ost-Jerusalem demonstrierten am Samstag einige hundert Anhänger des „Gush Shalom“ (Friedensblock) zusammen mit Vertretern der PLO gegen die Provokationen der Siedler und gegen das Versagen der Regierung. Die Demonstranten verlangten unter anderem die sofortige Auflösung der bewaffnete Miliz der Siedler. Außerdem solle der israelische Rückzug aus dem Gazastreifen und Jericho sowie auch aus den übrigen Teilen der besetzten Gebiete beschleunigt durchgeführt werden.