Gruppenbild mit Gockel und Esel

■ Premiere von Albert Lortzings „Der Wildschütz“ in der Hamburg Oper mit brauchbaren Gags

Am Anfang war der Schuß. Getroffen wurde ein Bock, der ein Esel war. Und schon sind wir inmitten der Verwechslungskomödie, die die Geschichte eines lieb-trotteligen Schulmeisters, das Liebesspiel naiv-raffinierter Landschönheiten, die Abgedrehtheiten einer spinnerten Gräfin und die Geilheiten junger Grafen in grelles Licht setzt. Grell das Lindgrün, dessen optische Präsenz das recht unbiedermeierliche Bühnenbild von Martin Rupprecht umrahmt. Wellblechhütten markieren das untertänige Dorf, Wellblech ziert auch die abstrakte Schloßfassade.

Das 19. Jahrhundert, irgendwo in der deutschen Provinz. Baculus, der kauzige Lehrer feiert das Ende seines Junggesellenstandes. Schulmeister Baculus (Helmut Berger-Tuna) will sein Gretchen (Gabriele Rossmanith) heiraten, wird aber der Wilderei angeklagt und deshalb vom Grafen von Eberbach (Boje Skovhus) gekündigt. Von Eberbach, ein notorischer Schürzenjäger, soll mit Gretchens Reizen umgestimmt werden. Jeder folgt in den biedermeierlichen Verwicklungen seinem Herzen und die Dinge nehmen ihren Lauf. Das natürlich auch ein Graf ein kleiner Schuft sein kann, verrät auch diese Inszenierung. Bofe Skovhus, stimmlich auf der Höhe, verkörpert einen lüsternen Dandy-Grafen, der seine Gattin, eine etwas ältere und reiche Gräfin nach Strich und Faden betrügt. Mal kess in lindgrün (gewisse Ähnlichkeiten mit einem BP-Tankwart sind sicher rein zufällig), mal im roten Jackett mit weißem Schnulzensänger-Schal umherschreitend, ist er stets auf der Suche nach hübschen Mädeln, vergafft sich auch in ein artiges Pseudo-Gretchen, das eigentlich seine Schwester ist, weil das authentische Gretchen dem gräflichen Lüstling nicht in die Arme laufen will.

Für die biedermeierlichen Enttarnungen hat sich Regisseur Bauernfeind ein paar hübsche Gags einfallen lassen, die aus dem Partnerlein-wechsle-dich-Spiel eine vollmundige Komödie machen. Lachkaskaden ernten die Szenen der Gräfin (Elisabeth Steiner), ebenso die schrill-grün kostümierten schrägen Figuren im Jägerchor, die stellenweise als Mischung aus Napoleon und dummer August auftreten, und der Haushofmeister Pancratius (Toni Blankenheim), der die Turbulenzen im schönsten Hamburger Schnack kommentiert.

Carlos Kalmar, Ex-Chef der Hamburger Symphoniker und jetzt Musikdirektor der Stuttgarter Philharmoniker, läßt als aufmerksamer Dirigent seine Sänger nicht im Stich. Nur ab und zu scheint es, als komme das Philharmonische Staatsorchester nicht so recht vom Fleck, so daß das quietschvergnügte Juchhe der Lortzingschen Musik nicht zündet. Star des Abends ist Ruth Ziesack mit ihrem kultiviertem Sopran, die, der biedermeierlichen Koketterie künstlerisch gewachsen, Stimme und schauspielerisches Geschick beweist.

So wendet alles sich am Ende zum Guten, die verwirrten Damen und Herren Biedermeier wenden sich den richtigen Partnern zu (“Unschuldig sind wir alle, sind wir alle“), der dusselige Baculus hatte nur seinen Esel umgelegt und wird begnadigt. Im richtigen Moment dann triumphiert die Stimme der Natur: Zum lustigen Schlußreigen gesellen sich ein flattriger Gockel, ein hüpfender Esel und ein dickes Schwein.

Sven Ahnert