: Staatsanwalt ermittelt gegen Staatsrat
■ Geheimniskrämerei um Grunau-Skandal / Hat Wirtschaftsressort Millionen veruntreut?
Eigentlich sollte an diesem Donnerstag ein Schlußstrich unter die seit mehr als zwei Jahren andauernden Verhandlungen gezogen werden, durch die das Bremer Wirtschaftsressort wieder die Verfügung über die Grunau-Flächen am AG-Weser-Kai erhalten möchte. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre war ein großer Teil des Geländes an die Grunau-Gruppe zu sehr günstigen Konditionen vergeben worden, damit die dort einen Montageplatz für „Großanlagenbau“ entwickelt. Aus verschiedenen Gründen scheiterte das Projekt, und im Zuge der Rückabwicklung wird der Stadtgemeinde die Bilanz ihrer Fehlsubvention aufgemacht: 30 Millionen Ablösesumme hat Grunau 1991 gefordert. Seitdem ziehen sich die Verhandlungen hin.
Am Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung der Wirtschaftsförderausschüsse, bis heute ist aber die Beschlußvorlage, in der Verträge und Summen stehen müßten, nicht verschickt - möglichweise wird der Staatsrat im Wirtschaftsressort, Dr. Frank Haller, nur einen mündlichen Bericht geben.
Die strenge Geheimhaltung hat einen schlichten Grund: die Bilanz des AG-Weser-Flops ist katastrophal. Nicht nur, daß Bremen von der Krupp-AG für 28 Millionen Mark AG-Weser-Flächen gekauft hat, die die Stadt mit einem monatlichen Subventionsanteil von ca. 200.000 Mark an die Grunau- Gruppe verpachtet - auf 10 Jahre. Schon allein die Auflösung dieses Pachtvertrages will sich Grunau versilbern lassen.
Mit mehr als zehn Millionen Aufschlag will die Unternehmensgruppe die beiden Hallenkomplexe, die Stahlbau- und Maschinenbauhallen, wieder an die Stadt zurückgeben, die Grunau 1986 für 3,9 Millionen gekauft hatte. Von Anfang an aber hatte die Sparkasse die Hallen als Sicherheit für weit höhere Schulden Grunaus akzeptiert. Im Frühjahr 1993, bevor die Sparkasse über einen „Beirat“ die Kontrolle der Geschäftsführung direkt übernahm, lagen 13 Millionen Mark als Grundschuld auf den Hallen - eine stolze Summe, die auf dem freien Markt kaum zu erzielen sein dürfte. Und während sich die Verkaufsverhandlungen mit der Stadtgemeinde hinzogen, ließ sich die Sparkasse noch einmal zusätzlich 4 Millionen Grundschuld über diese beiden Hallen absichern - eingetragen im Grundbuch vor knapp drei Wochen.
Scheint also alles klargezogen. Und doch will Wirtschaftsstaatsrat Haller an diesem Donnerstag nur mündlichen Bericht geben und sich die 20-Millionen Ablöse für das gescheiterte AG-Weser-Projekt ohne Beschlußfassung bewilligen lassen. Es könnte sein, daß dies der eigentliche Grund ist: Seit einigen Wochen führt der Staatsanwalt neben der Akte Grunau wg. Subventionsbetrug auch eine andere. „Beschuldigter“ da ist Staatsrat Haller, möglicher Straftatbestand: § 266 StGB, Untreue. Generalstaatsanwalt Janknecht: „Der Sachverhalt ist weitgehend aufgeklärt.“ Strafbar nach diesem Paragraphen ist, wenn ein Beamter dem Vermögen, das er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, sei es auch nur durch „Risikogeschäfte“.
Hintergrund der Ermittlungen: 1988 hatte Grunau der Stadtgemeinde sein Industriegrundstück in Mahndorf für 4 Millionen verkauft, um den Betrieb auf das AG-Weser- Gelände zu verlagern. Das Geld sollte er in neue Anlagen für die Verlagerung investieren. Im Finanzressort erinnern sich noch einige Referenten, daß man damals das Geld nur „Zug um Zug“ mit dem Nachweis der Investition auszahlen wollte. Der zuständige Senatsdirektor damals, der heutige Präsident des Rechnungshofes, Meyer- Arndt, fürchtete, „über den Tisch gezogen zu werden“ – von Grunau. Aber Haller setzte gegen das Finanzressort durch, daß Grunau die 4 Millionen direkt bekam bzw. die Stadt überwies gleich an die Sparkasse - zur Begleichung anderer Grunau- Schulden. Grunau aber investierte keine Mark, um seinen Betrieb zu verlagern.
Grunau hatte dafür einen wunderbaren Kaufvertrag bekommen: Da steht, daß er das gerade verkaufte Grundstück drei Jahre lang kostenlos nutzen darf (Pachtausfall: 1 Million). Ein Depp, wer das nicht ausnutzt. Und auch nach drei Jahren mußte Grunau das Grundstück nicht freimachen: Der Verkaufs- Vertrag sichert ihm langfristigen Kündigungsschutz zu.
Wenn ein Beamter aber dafür sorgt, daß die Stadtgemeinde ein Grundstück kauft, das sie gar nicht nutzen, sondern nur dem Verkäufer billig weiter überlassen will, dann fügt er dem ihm anvertrauten (Staats-) Vermögen einen Schaden zu - strafbar nach § 266 StGB. Noch vor Weihnachten will der aus Rostock zurückkehrende Staatsanwalt Nullmeyer entscheiden, ob er Anklage erhebt. K.W.
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