Polizist wird der fahrlässigen Tötung beschuldigt

■ Zwei Kinder starben durch Einsatzwagen / Angeklagter erinnert sich nicht mehr

Die Schuld am Tod von zwei Kindern wird einem 31jährigen Polizeiobermeister vorgeworfen. Dieser sei mit einem Streifenwagen zu schnell gefahren und daher ins Schleudern geraten. Beim Unfall auf der Schloßbrücke in Mitte waren am 6. März die sechsjährige Rosa und ihr vierjähriger Bruder Carl getötet, drei Erwachsene schwer verletzt worden. Seit gestern muß sich Mike W. vor der 16. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts wegen fahrlässiger Tötung und mehrfacher Körperverletzung verantworten. Er habe die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer hintangestellt, so der Vorwurf von Staatsanwalt Sanders. Mit mindestens 80 Kilometern pro Stunde habe er auf der Karl-Liebknecht-Straße zwei Autos überholt und auf Rollsplitt die Kontrolle über den VW-Bus verloren, der in eine Passantengruppe schleuderte. Die beiden Kinder starben noch im Beisein ihrer älteren Geschwister, die Eltern wurden schwer verletzt. Ein weiterer Passant wurde vom Polizeiwagen über das Geländer in die Spree geschleudert. Die drei Erwachsenen sind Nebenkläger im Prozeß.

Der Beschuldigte wiederholte vor Gericht seine Aussage, daß er sich nicht einmal mehr an den Beginn des Einsatzes erinnern könne. Er sei erst im Krankenhaus wieder zu Bewußtsein gekommen: „Ich habe die Ärztin gefragt, was denn passiert sei. Von ihr habe ich erfahren, daß es überhaupt einen Unfall gab.“ Sofort habe er sich nach Personenschäden erkundigt, versicherte Mike W. den Richtern, „aber dazu hat sie nichts gesagt“. Am ersten Verhandlungstag interessierte den Vorsitzenden Richter Jürgen Malies vor allem die Fahrausbildung und -routine des Beschuldigten. „Daß man mit dem Heck aufpassen muß, war mir bekannt“, versicherte Mike W. Als Kandidat für ein Spezialeinsatzkommando (SEK) habe er zudem an einem einwöchigen Sicherheits- Fahrtraining teilgenommen.

Mit Hilfe eines Tonbandprotokolls wurde versucht zu rekonstruieren, ob der Angeklagte überhaupt schnell fahren mußte. Mike W. war auf dem Weg zum Brandenburger Tor, von wo eine Messerstecherei zwischen Händlern gemeldet worden war. Die Polizei stellte jedoch damals keine Ausschreitungen fest. Unklar blieb gestern, ob diese Nachricht bereits über Funk bekanntgegeben war, als der Streifenwagen verunglückte. Auch unabhängig davon stand der Vorwurf im Raum, daß der Angeklagte nicht mit Martinshorn, Blaulicht und den entsprechenden Rechten hätte fahren dürfen. „Wenn Menschenleben in Gefahr sind, kann der Streifenführer auch eigenmächtig eine Sonderrechtsfahrt beschließen“, rechtfertigte sich der Beschuldigte. Der Prozeß wird am Donnerstag fortgesetzt. Christian Arns