Konto: 100959-6024

■ "Gangster an der Macht": Reportage über deutsch-afrikanische Geldtransfers

Fremdenhaß ist ein Phänomen der Dekadenz: Ein Staat wie Deutschland muß erst wohlhabend sein, um den fatalen Glauben zu entwickeln, seine Fleischtöpfe gegen sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge verteidigen zu müssen, die eine andere Hautfarbe haben oder gar Knoblauch essen. „Flüchtlinge fallen nicht vom Himmel“ hieß daher Malte Rauchs letzter Film, in dem er minutiös den Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Überproduktion der EG, der daraus resultierenden Subventionierung von Agrarprodukten und der daraus wiederum folgenden wirtschaftlichen Knebelung schwarzafrikanischer Länder dokumentierte.

Bei der Recherche in Guinea stößt Rauch auf die Statthalter einer fragwürdigen „Entwicklungshilfe“: Um Ausbeuter-Connections zu etablieren, bedarf es korrupter afrikanischer Regierungschefs. Mit europäischem Geld finanziert etwa der zairische Diktator Mobutu seine Diktatur. „Gangster an der Macht“ versucht, einige Fäden deutsch-afrikanischen Finanztransfers zu entwirren.

Der Frankfurter Filmemacher bewegt sich damit in einem unpopulären Genre. Von „Explosiv“ bis „Exclusiv“ haben Berichterstattungen im Stil von Stern- und Spiegel-TV zu einer Inflation der Investigation geführt. Arrivierte Journalisten buchen ihre Tickets erst ab einer redaktionell festgesetzten Quote von Toten: „Action News“. Deshalb erklimmt zum Beispiel Somalia die Hitparade der Berichterstattung. Aufgrund welcher historischen und finanztechnischen Hintergründe die Situation im Land eskalierte, interessiert dabei niemanden.

In Angola, Somalia, Uganda oder Zaire wächst die Zahl der Flüchtlinge, die vor den Diktaturen ihrer Regierungschefs fliehen. In „Gangster an der Macht“ kommt daher Justine Casa Vubu zu Wort, die Tochter des ersten frei gewählten Präsidenten Zaires (damals Kongo): Im Zuge der Ermordung ihres Vaters Patrice Lumumba zerschlug Mobutu 1961 den ersten Ansatz von Demokratie so gründlich, daß der Diktator noch heute an der Macht ist – mit Hilfe europäischer Gelder. Mobutus Privatvermögen ist etwa so hoch wie die Auslandsverschuldung seines Landes (ca. 3 Milliarden Mark). Ein Teil davon liegt auf der Deutschen Bank in Frankfurt, die jede Auskunft verweigert. Mit der Begründung, sie brauche keine Begründung, um zu schweigen. Mobutus Kontonummer in Frankfurt lautet übrigens: 100959-6024.

Im Namen der demokratischen Opposition Zaires fordert Casa Vubu die Einfrierung von Mobutus illegal erworbenen Euro-Geldern – um die Demokratie zu stützen und ein weiteres Somalia abzuwenden. Malte Rauch begleitet unterdessen Lambert Mende, den zairischen Informationsminister der demokratischen Übergangsregierung. Er versucht in Europa die Ergebnisse eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses über die systematische Ausplünderung Zaires publik zu machen und für die Demokratie zu werben.

Ein zähes Unterfangen. Mende trifft in Europa überall auf Zuhörer, die selbst Dreck am Stecken haben: die ungehemmte Selbstbedienung von europäischer Seite hat in Zaire nämlich Tradition. Wie lukrativ die Verbindung München–Zaire zur Zeit Franz Josef Strauß' funktionierte, stand bereits 1984 im Spiegel. Neu ist indes die Erkenntnis über Mobutus Verbindung zur Münchner Druckerei Gieseke-und-Devrient: Während der Diktator Gold, Diamanten und Kobalt aus Staatsbetrieben illegal verhökert, klettert die Inflation ins Unermeßliche. Gieseke- und-Devrient druckt laufend neue Zaire-Geldscheine mit immer mehr Nullen – und wird dafür mit Gold aus Zaire entlohnt.

Zuletzt besucht Rauch den zairischen Botschafter Mabolia in Bonn. Weil der öffentlich Sympathien für die demokratische Bewegung in Zaire äußerte, stellte Mobutu verärgert alle Zahlungen ein. Die Botschaft ist heute kalt und ohne Licht. Derweil sich die Kamera mit flackernder Handlampe durchs Treppenhaus tastet, gibt es also doch noch einen atmosphärischen Hauch von dramatischem Spiegel-TV. Manfred Riepe

Heute um 21.15 Uhr, West 3,

und um 22.55 Uhr, SWF 3