Geschenke sollten den Freund Stolpe einbinden

■ Letzte Runde im Untersuchungsausschuß / Stasi-Offiziere widersprechen sich

Potsdam (taz) – Es war kein „Pappenstiel“, sondern eine „ungewöhnliche Ausgabe“, mit der eine „besondere Würdigung“ ausgesprochen werden sollte. Der frühere Stasi-Offizier Klaus Roßberg, über zwei Jahrzehnte als Führungsoffizier des „IM Sekretär“ tätig, erinnert sich: Die Bibel, die er dem heutigen Ministerpräsidenten in Brandenburg, Manfred Stolpe (SPD), anläßlich seines 50. Geburtstages 1986 in einer konspirativen Wohnung überreicht haben will, das sei eine „Prachtausgabe“ gewesen. Wert: rund 3.000 Mark.

Vor dem Potsdamer Untersuchungsausschuß, der die früheren Stasiverstrickungen des Ministerpräsidenten aufklären soll, fährt der einstige Führungsoffizier fort: „Stolpe hat mir sehr geholfen, meinen Horizont zu erweitern“. Er habe die antiquarische Bibel für den Kirchenjuristen Stolpe quasi „zugeschnitten“ – es sollte sein persönliches Geschenk für die gute dienstliche Zusammenarbeit mit dem damaligen Konsistorialpräsidenten sein.

Der Untersuchungsausschuß geht 21 Monate nach seiner Konstituierung in die Schlußphase. Nochmals werden die wichtigsten, sich aber widersprechenden Zeugen aufgeboten: erst Roßberg, dann dessen früherer Vorgesetzter Joachim Wiegand und schließlich Stolpe selber.

Roßberg hatte bereits im Oktober 1992 ausgesagt, er habe dem Kirchenmann persönlich im Herbst 1978 die Verdienstmedaille der DDR ausgehändigt. Stolpe widersprach, der Stasi-Mann Wiegand auch. Stolpes Medaille, so Wiegands entlastende Angaben, sei von der Stasi mit der dazugehörigen Urkunde und Prämie zwar beschafft und beschriftet worden, verliehen hätte sie aber der Kirchenstaatssekretär Hans Seigewasser und damit nicht die Stasi. Das Thema Verdienstmedaille steht zwar ausdrücklich nicht auf der Tagesordnung, Roßberg und Wiegand nutzten aber die Gelegenheit, ihre früheren Aussagen zu bekräftigen. Roßberg: „Wiegand hat mit größter Warscheinlichkeit den Ministerbefehl verlesen. Ich habe daneben gestanden, die Medaille überreicht und auch meinen Vers gesagt.“ Wiegand: „Ich bleibe dabei, Seigewasser hat die Auszeichnung verliehen.“ Wegen der Widersprüche in den Aussagen leitete die Potsdamer Staatsanwaltschaft schon vor rund drei Monaten gegen Roßberg und Wiegand Verfahren wegen einer möglichen Falschaussage ein.

Das Thema des Tages ist aber nicht die Medaille, sondern die kunstvoll illustrierte Bibel aus den Beständen der Christian-Weise- Bibliothek im sächsischen Zittau. Roßberg beteuert, sie als persönliches Geburtstagsgeschenk überreicht zu haben. Außerdem habe er Stolpe auch einen historischen Atlas und eine antiquarische Gesetzessammlung geschenkt. Daß er dieses in seinen früheren Vernehmungen nicht erwähnt hat, erklärt er damit, daß er den Vorgang vergessen hatte. Die Erinnerung sei wieder geweckt worden, als vor Wochen Journalisten von Spiegel-TV ihn mit den Kassenbüchern seiner Stasiabteilung über die Verwendung „operativer Gelder“ konfrontierten.

Roßbergs früherer Chef Wiegand bestätigt zwar en détail, die amtsinternen Vorgänge, mit denen die „Sachzuwendungen“ an Inoffizielle Mitarbeiter geregelt waren. Ob Stolpe aber zum 50. Geburtstag eine wertvolle Bibel erhielt, ob er vielleicht sogar bei der Feier dabei war? „Daran kann ich mich nicht erinnern.“

Die Vernehmung der beiden früheren Stasi-Offiziere zieht sich über Stunden. Stolpe war nach beider Angaben auch nicht der einzige Kirchenmann, der für DDR- Verhältnisse reichlich beschenkt wurde. Warum Stolpe überhaupt beschenkt wurde? Wiegand: „Er sollte eingebunden und beeindruckt werden. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“ Stolpes Antwort verzögert sich, er tritt erst nach Redaktionsschluß als Zeuge an. Wolfgang Gast