Wenn es eine Botschaft gibt, die sich aus dem Ergebnis der Kommunalwahlen vom Sonntag in Brandenburg aufdrängt, dann die, daß mit der PDS, zumindest im Osten Deutschlands, auch in Zukunft zu rechnen ist. Aus Potsdam Anja Sprogies

Brandenburger lieben „Auslaufmodell“

Für den Bonner CDU-Generalsekretär Peter Hintze war der Wahlerfolg der „Partei des Demokratischen Sozialismus – PDS“ bei den brandenburgischen Kommunalwahlen vom Sonntag schnell ausgemacht: „Die roten Socken schwimmen auf der Protestwelle nach oben“, betrieb Hintze in einem Fernsehinterview „Ursachenforschung“.

In der Tat zählt die Nachfolgepartei der SED mit 21Prozent – bei der Kommunalwahl 1990 waren es nur 16,5 Prozent – zu den Gewinnern dieser Wahl. Die Brandenburger haben offenbar keine Berührungsängste mehr mit der Partei links von der SPD.

„Jetzt erst recht“ war der oft gehörte Slogan vor den Wahllokalen. Kein Wunder, daß sich die PDS- Zugpferde Gregor Gysi und Lothar Bisky am Sonntag im Medienrummel so richtig dick machten. Beide wiesen jedoch die Bewertung, lediglich mit Protestwählern Stimmen gewonnen zu haben, entschieden zurück. Die Protestwähler seien zu Hause geblieben, sagte Bisky (siehe Interview auf dieser Seite), Menschen und Inhalte hätten überzeugt.

In den zahlreichen Talk-Shows des Abends erklärte die CDU- Landesvorsitzende Carola Hartfelder immer wieder, die PDS habe ihre Wähler besser mobilisieren können. Was ihrer Partei offenbar nicht gelungen war: In der CDU, die in manchen Wahlkreisen rund die Hälfte der Stimmen eingebüßt hatte, herrschte in den Stunden nach Schließung der Wahllokale Katerstimmung. – Auch der SPD- Chef Steffen Reiche sprach „von einem katastrophalen Wahlergebnis der PDS“. Immer wieder machte Friedrich Schorlemmers Wort von der „Ostalgie“, das Verklären der alten DDR-Realität, die Runde. Doch auch davon wollten die PDS-Spitzen nichts hören. „Unsere Politikangebote wurden von der Bevölkerung eben angenommen“, so PDS-Landeschef Helmut Markov.

Als der PDS-Star Rolf Kutzmutz das Potsdamer Alte Rathaus betrat, in dem sich am Sonntag das Wahlzentrum befand, wurde er mit einem Blitzlichtgewitter empfangen. Bis in die frühen Morgenstunden feierten PDS-Anhänger das Wahlergebnis in einem angemieteten Zelt. Und in der PDS- Landtagsfraktion wurde morgens um 8 Uhr bereits mit Sekt angestoßen. Vor allem das Wahlergebnis des Potsdamer PDS-Oberbürgermeisterkandidaten Kutzmutz wurde hier mit großem Jubel begrüßt.

Mit 43,5 Prozent übertraf der PDS-Kandidat deutlich den SPD- Bewerber und bisherigen Oberbürgermeister Horst Gramlich, der nur 30 Prozent für sich verbuchen konnte. Gramlich muß am 19. Dezember gegen seinen PDS-Herausforderer in die Stichwahl und zeigte sich darüber merklich enttäuscht. Auch er hatte die Ursache für den Erfolg der PDS-Rivalen parat: „Die Potsdamer wollen sich offenbar nicht mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen“, so sein Seitenhieb. Seine eigene, im Wahlkampf wohl verdrängte Vergangenheit als Marxismus-Leninismus-Dozent an der Babelsberger DDR-Kaderschmiede hatte Gramlich dabei wohl nicht im Blick. – Mit dem Wahlergebnis vom Sonntag hatten die Sozialdemokraten in der Landeshauptstadt Potsdam nicht gerechnet. Sie wollten mit einem geschickten Schachzug Kutzmutz drei Tage vor der Wahl über seine IM-Akte stolpern lassen. Am vergangenen Donnerstag war der Präsident der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung mit dem Bericht aus der Gauck-Behörde an die Öffentlichkeit gegangen. Doch der PDS- Chef Bisky weiß, daß die Akte bereits am 20. Oktober in Potsdam eingegangen war.

Der ehemalige Sekretär der SED-Kreisleitung Kutzmutz, der auf Wahlveranstaltungen seine „rote Vergangenheit“ nie verheimlicht hatte, trat die Flucht nach vorn an. Noch am Freitag stand er in Potsdams Haupteinkaufsstraße und verteilte Kopien seiner Stasi-Akte. Über zwei Tage lagen sie im Potsdamer Rathaus aus. Lothar Bisky bezeichnete den Inhalt der Akte jedoch als „harmlos“. Er kritisierte die „fiese Art der SPD-Politiker“, die mit diesen Akten Wahlkampf machen wollten.

In der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung wird die PDS mit 38,4 Prozent (1990: 26,5) stärkste Partei. Die CDU kam hier auf magere 10,3 Prozent (1990: 17,3), die SPD auf 32,4 Prozent (1990: 31,9). Auch in den anderen kreisfreien Städten Cottbus (28,2 Prozent) und Frankfurt/Oder (30,9 Prozent) erzielte die PDS das beste Wahlergebnis. In den Kreisen liegt sie mit durchschnittlich 20 Prozent hinter der SPD. Wie viele Bürgermeister in anderen Kommunen noch in die Stichwahl müssen, stand zum Redaktionsschluß noch nicht fest.

PDS-Landeschef Bisky rechnet für das kommende „Superwahljahr“ mit ähnlich hohen Ergebnissen für seine Partei wie bei der Kommunalwahl vom Wochenende. „Das Gerede vom auslaufenden Modell PDS ist ein für allemal erledigt“, urteilte der PDS- Fraktionssprecher im Bundestag, Jürgen Reents. Nach den bisher vorliegenden Wahlergebnissen hätte die PDS bei der kommenden Bundestagswahl immerhin drei Direktmandate erzielt. Und dies dürfte auch das wichtigste Signal sein, das von der brandenburgischen Kommunalwahl auf die Bundesebene ausgeht: Mit der PDS ist im Osten Deutschlands weiter zu rechnen.