Wenn Steine sprechen könnten...

■ ...würden sie manchem Museumsmacher was erzählen: gezähmte Land Art von Richard Long in der Weserburg

Der Künstler schickt sich selbst in die Wüste: In den Weiten Nevadas, und anderer unberührter Ödgebiete, haben sich die Vertreter der „Land Art“ seit den 70ern niedergelassen. Dort hocken sie z.T. noch heute, auf der Suche nach dem Beständigen in der Kunst – was stets auch etwas von Fluchtverhalten besaß: Flucht vor jenen Maßregelungen, die der moderne Ausstellungsbetrieb der Kunst auferlegt. Einer kam zurück: Richard Long. Was er aus den Wüsten der Welt mitbrachte, ist nun in Museen und Galerien zu sehen. Doch solche Wanderungen entlang der Grenzen zwischen Natur und Kultur erweisen sich immer wieder als riskant. Im Neuen Museum Weserburg sind Longs Naturkunststücke nun in einer retrospektiven Schau aufgebaut, die viel über die Probleme musealer Räume erzählt und über deren Verhältnis zu Kunst und Natur.

Für Long ist der Weg das Ziel. Seine ausgreifenden Wanderungen stellen das eigentliche Kunstwerk dar. Entsprechend knifflig stellt sich der Transfer dieser Kunstauffassung in die Räumlichkeiten eines Museums dar. Der Form einer handelsüblichen Skulptur nähern sich immerhin Longs Bodenplastiken an: mächtige Kreise und Felder aus Findlingen - Mitbringsel von Longs Kulturwanderungen. Elf dieser Monumente hat das Museum nun zusammengetragen, dazu Fotos, Grafiken und Bücher, die Longs Wirken vor der Natur, sein Durchmessen von Zeit und Raum anschaulich machen sollen.

Doch das gelingt hier kaum - trotz des Einsatzes diverser Medien, trotz der klugen, repräsentativen Zusammenstellung von Stein-, Holz- und Torfmonumenten Longs. Denn dieser Kunst steht der Kunstbetrieb im Wege. Long möchte eigentlich „keine Monumente errichten, sondern die Unbeständigkeit und Veränderlichkeit der Naturprozesse in seinem Werk widerspiegeln“, schreibt Christine Breyhan in einem Begleittext. Für dieses Anliegen ist ein Museum nun kaum der richtige Ort: Hier prangt das Ewige, oder zumindest das, was durch die weihevolle Präsentation Ewigkeitsanspruch aufgedrückt bekommt. „Hier existiert die Kunst in einer Art Ewigkeitsauslage“, schreibt der Kritiker Brian O'Doherty über „die weiße Zelle“; „ihre sauberen Oberflächen erscheinen unberührt von der Zeit und ihren Wechselfällen.“

Die Zeit aber ist das ureigene Thema der Kunst des Richard Long. Die Zeit, wie sie am härtesten Granit und am zähesten Holz nagt, wie sie ihre Spuren in de Landschaft schreibt. Long auf dieser Fährte zu folgen, erscheint im Museum als fast aussichtsloses Unterfangen. Zum einen bietet die Weserburg mit ihren malerischen Ecken, Winkeln und Pfeilern kaum den Platz, um die majestätischen Steinkreise angemessen auszubreiten (den gibt es immerhin im Forum Langenstraße). Und dort, wo die Museumsleute sogar störende Elemente wie Fenster und Steckdosen versteckt haben, um eine bessere „Isolation“ der Werke zu erreichen (lt. Direktor Deecke) – dort erkalten Longs Feuersteinkreise, die eigentlich Energien freisetzen sollten, in der zeitlos-klinischen Atmosphäre der „weißen Zelle“.

In der Isolation nämlich geht diese Kunst ein. Die Anpassung an die Verkehrsformen des Kunstbetriebs ist gerade jenen Arbeiten der „Land Art“ abträglich, die bewußt den Abstand suchen. „Berge und Galerien sind auf ihre Weise extrem und neutral“, schreibt Long, „und beide gut für die Arbeit.“ Vielleicht mutet er da seiner Arbeit selbst mehr zu, als ihr gut tut.

Thomas Wolff

Bis 13.2. im Neuen Museum Weserburg & im Forum Langenstraße