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„Her mit der Knarre, oder...“ Andrea Böhm

Eigentlich hätte man wirklich früher drauf kommen können, das Motto einfach umzudrehen: Statt „Geld her, oder es knallt“ heißt es jetzt: „Her mit der Knarre, oder es gibt kein Geld.“ Der Bürgermeister in Salt Lake City hatte diese Idee – und vor ihm auch schon der Bürgermeister in St. Louis und die Gemeindeverwaltung von Hennepin County in Minnesota. Wer dort den häuslichen Vorrat an Schußwaffen und Munition bei der Polizei abgibt, erhält von den Stadtvätern und -müttern einen kleinen Obolus. In Salt Lake City waren es 25 Dollar pro Pistole, Revolver, Schrotflinte oder Jagdgewehr. Das Tauschverfahren verlief diskret. Keiner fragte die BürgerInnen nach Namen, Adresse oder gar Herkunft der Schußwaffe. Und nur einer hat bisher zu schummeln versucht, indem er die fünf antiken Pistolen aus dem örtlichen Museum klaute, um sie dann gegen 125 Dollar einzulösen.

Die Polizei hat inzwischen 956 Waffen eingesammelt und rund 25.000 Dollar ausgeteilt. Besagte Gemeinde in Minnesota zog auf diese Weise 6.000, die Stadt St. Louis gar 7.465 Schußwaffen aus dem Verkehr – und ließ sie einschmelzen. In Oakland, Kalifornien, variierten GeschäftsbesitzerInnen und UnternehmerInnen aus der Stadt das Verfahren und veranstalteten einen öffentlichen Tauschmarkt: Wer seine oder ihre „Remington“, die „Smith & Wesson“ oder auch den antiken Hinterlader abgab, durfte zur Belohnung zwischen Eintrittskarten für ein „Nirvana“-Konzert, die nächste Aufführung der San-José-Oper oder das nächste Baseballspiel einstecken. Auch hier galt: Diskretion.

Addiert man die verschiedenen Tauschaktionen, so kommt man auf 14.421 Pistolen, Revolver, Jagdgewehre, Schrotflinten, die inzwischen eingeäschert worden sind. Insgesamt sind in den US-amerikanischen Haushalten 200 Millionen Schußwaffen irgendwo zwischen Küche, Nachttisch und Handschuhfach gelagert. Bleiben noch 199.985.579. Bei einem Stückpreis von 25 Dollar käme auf die öffentlichen Haushalte der Kommunen und Bundesstaaten eine Belastung von 4.999.639.457 Dollar zu, knapp ein Drittel der Kosten, die jährlich für die medizinische Behandlung von Schußwunden aufgebracht werden müssen.

So wird es, leider, nicht funktionieren – und nicht nur, weil Vater Staat ohnehin kein Geld hat und die Rockgruppe „Nirvana“ etwas überfordert wäre. Aber immerhin gilt es zur Kenntnis zu nehmen, daß hier erste klitzekleine Schritte zur Entwaffnung gemacht werden – vorausgesetzt, man geht davon aus, daß die Betreffenden solche staatlichen Angebote nicht als lukrative Chance nutzen, altes Eisen loszuwerden, um neues zu kaufen. Aber das könnte bald teuer werden. First Lady Hillary Clinton, im Weißen Haus zuständig für die Reform des Gesundheitswesen, hat den Waffenfetischismus in den USA als das erkannt, was er ist: eine Epidemie. Wer sich unbedingt anstecken lassen und eine Waffe kaufen will, muß in Zukunft tiefer in die Tasche greifen, weil die Waffensteuer kräftig erhöht werden soll.

Es gilt also, ein Klischee zu revidieren, das besonders in Europa mit einem gewissen Voyeurismus gepflegt wird: Nicht alle, nur manche AmerikanerInnen sehen den Besitz von Waffen als Menschenrecht an. Andere gehen lieber in die Oper oder in ein „Nirvana“-Konzert.

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