Barbie, Flaubert, Schokoherz

■ Ein Besuch bei der „Verzeih mir“-Party von RTL in Köln

„Emotions-Porno“, „Junk- food-Therapie“, „Wasser marsch“: Ulla Kock am Brink blättert mit fidelem Masochismus in ihrer Pressemappe. „Eine Barbiepuppe“ hat eine Zeitung sie genannt, „eine Mischung aus Linda de Mol und Prinzessin Diana“, schrieb ein anderes Blatt. „Zur Barpiepuppe fehlt mir wohl die Oberweite“, grinst die Moderatorin. Das Publikum quittiert den Scherz mit höflichem Gekicher.

Wir sind auf der „Verzeih mir“- Party, die RTL am vergangenen Sonntag im Kölner Schokoladenmuseum veranstaltet hat. Nein, nicht für „Die Gong-Show“ und auch nicht für „M – Das Männer- Magazin“, für Olaf Kracht und Barbara Eligmann will sich der Kommerzsender bei uns entschuldigen, wie der Titel der Party vermuten lassen könnte. Der tränenfeuchten Psychoshow „Verzeih mir“ soll gehuldigt werden, die uns ab dem 16. Dezember wieder jeden Donnerstag bevorsteht.

Da müssen für die Presse mal ein paar bedauerliche Mißverständnisse berichtigt werden. Haben doch voreingenommene Schreiber behauptet, die Show zerre zynisch das Privatleben von verkrachten Familien, Sandkastenfreunden und Ex-Liebhabern an die Öffentlichkeit. Dabei geht es in „Verzeih mir“ doch bloß darum, daß wir uns alle ein bißchen besser verstehen. Um das zu beweisen, müssen eben einige Ex- ShowkandidatInnen, die – angetan mit einem Röschen am Revers – der Eröffnung des kalten Buffets harren, noch eimmal vorgeführt werden.

„Alles ist in Butter“, wie wir von Schüler Mario erfahren. Der war sauer, weil er sitzengeblieben war, und mußte seine ganze Wut auf seinen besten Freund schieben. Es gab „heftige Worte“, wie Mario in Ullas kabelloses Mikro nuschelt, aber jetzt sind sie wieder versöhnt. Auch die Familie, die 25 Jahre lang zerstritten war, telefoniert wieder miteinander. Noch Fragen? Für den schöngeistigen Rahmen hat RTL den Dortmunder Pädagogik- Prof Werner Spieß angekarrt, der in der Flenn-Orgie „alles nicht so schlimm“ findet: Haben nicht auch Goethe, Flaubert, Dostojewski ihre Werke auf „seelische Enthüllungen“ aufgebaut?

Ist doch alles ganz menschlich hier. Zwar findet etwa die Hälfte der „Verzeih mir“-Kandidaten nicht wieder zusammen, aber die blonde Ulla weint trotzdem „ganz echt“, wenn sie gerührt ist. Schreibt doch, was ihr wollt: Die erste Staffel von „Verzeih mir“ hatte laut RTL im Schnitt fünf Millionen Zuschauer, daran ändern die gesammelten Verrisse rein gar nichts. Eine bittere Erkenntnis, die auch das vom Buffet gemopste gigantische „Verzeih mir“-Schokoladenherz nicht recht versüßen konnte. Tilman Baumgärtel