■ Muß man den Film „Beruf Neonazi“ verbieten?
: Staatsbürgern nur häppchenweise

Man hatte ja in seinem filmredaktionellen Größenwahn schon gehofft, die Auseinandersetzungen, die seinerzeit um den Film „Stau“ losgebrochen waren, hätten zu einer gewissen Ausfransung der Fronten geführt. Damals hatten kleine autonome Trupps – nicht die Staatsanwaltschaft! – Kinos gestürmt, Projektoren zerstört und einem Filmvorführer Säure ins Gesicht geschüttet, weil sie der Ansicht waren, die im Film porträtierten Hallenser Nazi-Skins seien zu gut weggekommen. Auf ähnliche Wutausbrüche traf Romuald Karmakars „Warheads“, der deutsche Fremdenlegionäre sagen läßt, was sie sagen möchten, und der mit ihnen zu Kriegsschauplätzen reist. Wo bleibt die Distanz? war die Frage. Wo bleiben die Zwischentafeln, die darüber aufklären, wer die Opfer dieser Leute sind?

Mit „Beruf Neonazi“ hat es nun eine etwas andere Bewandnis. Statt des üblichen dumpfen Gestammels eines pickligen Jüngelchens inmitten einer brandschatzenden Horde von Deklassierten sieht man hier einen blonden, sich mittelständisch-gymnasial artikulierenden Hünen. Plötzlich fällt die soziale und ästhetische Distanz, die das Gros der Zuschauer in den beiden anderen Filmen quasi „automatisch“ von den Protagonisten getrennt hatte, weg. Atemlos folgt ihm die Kamera landauf, landab, von München bis Toronto. Dort, in Toronto, sieht man ihn neben seinem Mentor Ernst Zündel professionell, gewandt und mit unglaublicher Stirn die „Auschwitzlüge“ in Wort und Bild international vertreiben, und zwar zum Teil mit Hilfe der Gegenpropaganda. War schon schwer zu ertragen, wenn Zündel in KZ-Uniform sagt: „Was Besseres, als daß die jüdische Presse über mich hetzt, kann mir gar nicht passieren“, so war es erst recht schwer, Althans in einer Gaskammer seine Weisheiten über Zyklon-B ungehindert verbreiten zu sehen. Natürlich ist auch die in allen drei Filmen spürbare subkutane Anziehung zwischen Filmemachern und Protagonisten irritierend. („You make them sexy“, sagte ein Besucher aus den USA.) Es stimmt auch, daß ein Dokumentarfilm nicht dadurch ästhetisch anspruchsvoll wird, daß er auf Kommentare verzichtet. Aber ein bißchen mehr muß man den Bildern und den Staatsbürgern schon zutrauen: Zu sehen, wie Althans mit seinen liberalen Eltern redet, wie er und Zündel ihr Hitler-Hugenberg-Verhältnis pflegen; das kann ein warnender Kommentar nur verwischen. Wenn Filmförderung nun in Zukunft erst abklopfen muß, ob ein Film den Staatsbürger auch richtig instruiert, dann bleibt es beim Gremienfilm, der nicht neugierig ist und den nicht einmal die Deutschlehrer mehr sehen wollen. Diskussionen, wie sie jetzt in den Kinos stattfinden, in denen der Film noch gezeigt werden darf, wird ein solchermaßen geglätteter Film nicht hervorrufen. Mariam Niroumand