Zurück zum Plan

Ukraine: Wie man Geld druckt und trotzdem die Preise senkt / Valutabörse wurde suspendiert  ■ Von Klaus Bachmann

Warschau/Kiew (taz) – „Wir sind unumkehrbar auf dem Weg zur Liberalisierung der Wirtschaft und zur Beendigung der Hyperinflation“, erklärte der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk kürzlich vor dem Parlament in Kiew. Krawtschuk, der seit einigen Monaten auch das Amt des Premierministers übernommen hat, tut gut daran, das zu betonen. Die Zahl derer, die es ihm abnehmen, schwindet mit jedem Dekret. Immer mehr Experten sind der Ansicht, daß sich Krawtschuk zurück in Richtung Planwirtschaft bewegt.

Kurz nachdem Krawtschuk sich per Dekret im Herbst zum Premier gemacht hatte, wurde seine Entscheidung bekannt, Dollarobligationen über 10 Milliarden Dollar auszugeben, Laufzeit 5 Jahre, verzinst mit 7 Prozent. Da abzusehen war, daß die potentiellen Käufer angesichts der Tatsache, daß die Ukraine nicht einmal imstande ist, ihre Rubelschulden zu bezahlen, dem Präsidenten kaum die Türen einrennen würden, verankerte Krawtschuk eine zusätzliche Sicherheit: das gesamte Staatsvermögen der Ukraine. Seither weiß man zwar, wieviel Krawtschuk sein Land wert ist, Details aber kennt man nicht, das Dekret ist geheim und äußerst kryptisch.

Wie üblich publizierte die oppositionelle Tageszeitung Nezawisimost, deren Chef kurz zuvor gerade mal wieder von Unbekannten verprügelt worden war, das Dokument trotzdem. Viel Platz mußte die Zeitung dafür nicht opfern: Krawtschuks Dekret umfaßt gerade 13 Zeilen und drei Punkte. Leonid Bilij, Chef des Privatisierungsausschusses des Parlaments: „Das Dekret verstößt gegen insgesamt zwölf ukrainische Gesetze.“ Darunter sind auch die Verfassung und das Privatisierungsgesetz, denn solange das staatliche Vermögen verpfändet ist, kann man es nicht verkaufen. Damit wäre es Krawtschuk gelungen, mit einem Federstrich die Privatisierung für fünf Jahre zu verzögern. Stefan Chmara, nationalistischer Abgeordneter aus Lwow, forderte Krawtschuk auch gleich noch zum Rücktritt auf wegen „Ausverkaufs der Ukraine ans Ausland“. Denn Krawtschuks Dollarschuldverschreibungen können nur von Ausländern gekauft werden.

Krawtschuks Bauchlandung im Fettnäpfchen fällt zusammen mit zwei weiteren höchst umstrittenen Entscheidungen: Ein Dekret, in dem Preiserhöhungen aller Firmen an Inflation und Rentabilität gekoppelt werden und eines, in dem die Kiewer Devisenbörse susupendiert wird. Viktor Pynzenyk, früherer Vizepremier: „Das Dekret wird nur dazu führen, daß die Preise noch schneller steigen und zwar auf dem Schwarzmarkt, wo dem Staat auch noch die Steuern entgehen. Man kann nicht permanent neue billige Kredite emittieren und dann per Gesetz die Inflation bekämpfen wollen.“

Je mehr die Preise steigen, desto tiefer fällt die ukrainische Währung und desto teurer werden die Importe. Schon vor einem Vierteljahr beschlossen daher zwei untergeordnete Finanzbeamte, dem Parlament einen Fixkurs vorzuschlagen. Pynzenyk trat daraufhin zurück, was das Parlament nicht daran hinderte, den Fixkurs abzusegnen. Da natürlich niemand seine hart erarbeiteten Devisen zum amtlichen Niedrigstkurs abstößt, mußte die Regierung eine Errungenschaft aus sowjetischen Zeiten wieder einführen: Die Pflicht für Außenhandelsfirmen, 50 Prozent ihrer Deviseneinkommen zum amtlich festgelegten Kurs an die Nationalbank zu verkaufen. Leider vergaß Krawtschuk in seinem Dekret festzusetzen, wer diesen Kurs festsetzen soll und auf welcher Grundlage. Rechtzeitig zum 11. 11. verfügte die Regierung dann zusammen mit der Nationalbank, daß im Jahr 1994 der Kurs im Verhältnis zum Dollar 6.980 Karbowanzy betragen soll. Vergessen wurde dabei, daß der einen Tag zuvor im Parlament eingebrachte Haushaltsentwurf der Regierung für 1994 einen Kurs von 12.298 Karbowanzy vorsah. Solche Widersprüche sind in Kiew nicht ungewöhnlich: Nachdem Krawtschuk per Geheimdekret die Privatisierung um fünf Jahre aufgeschoben hatte, verfügte er die Anpassung der Privatisierungsbons an die Inflation.

Die Zeitungen zitieren den für technische Hilfe an die Ukraine zuständigen EG-Vertreter Michel Argilier mit den Worten: „Wenn die Regierung in Kiew die letzten wirtschaftspolitischen Entscheidungen von Präsident Krawtschuk akzeptiert, wird Westeuropa auf jegliche Beziehungen mit diesem Land verzichten.“ Krawtschuk ficht das aber nicht an: Er verlangte kürzlich vom Parlament Vollmachten, um seine Dekrete ohne Zustimmung von Regierung und Parlament erlassen zu können. Nach Ansicht einer oppositionellen, aber zuverlässigen Zeitung in Lviv hat er bereits ein neues Dekret in Vorbereitung: über die Verstaatlichung der Banken.