Grau ist nicht einmal die Theorie

■ Die Statt Partei bleibt sich im Nachgeben treu / „Olle SPD-Kamellen“

Bei der Spurensuche nach grauen Einsprengseln im Kooperationsvertrag zwischen Statt Partei und SPD kamen gestern unter den Hamburger Oppositionsparteien harmonische Schwingungen auf: Einmütig befanden GAL und CDU, daß die Grauwerte selbst unter der Lupe nur schwer aufzufinden sind. GAL-Fraktionschefin Krista Sager höhnte, die Statt Partei habe „Voscheraus Eckpunkte pur gefressen“, und CDU-Fraktionschef Ole von Beust krittelte, in dem Werk fänden sich weitgehend „olle SPD-Kamellen“.

Ein Urteil, das sich laut Sager und von Beust schon nach der Auszählung einiger Redewendungen aufdrängt. So erscheint nach CDU-Zählungen in dem Vertrag das Wort 'prüfen' 16mal – und es beziehe sich prinzipiell auf die wichtigen politischen Fragen. Sprachforschung auch bei der GAL: Auf der Vertrags-Hitliste stünden die Wörter 'fortführen' und 'verstetigen' ganz oben. „Zu häufig, um sie zu zählen“, so Krista Sager. Ihr spöttischer Kommentar: „Die SPD hat ihren billigen Jakob gefunden. Er heißt Markus Wegner.“

In der Tat: Nach der Lektüre verfestigt sich der Eindruck, daß sich der Bürgermeister auf ganzer Linie durchgesetzt hat – nicht nur mit seinen Wunschprojekten (vor allem Hafenerweiterung, 4. Elbtunnelröhre, Elbvertiefung). Sogar die Präambel des Kooperationsvertrags wurde bis auf einen Spiegelstrich wortgetreu aus dem Voscherau-Papier abgeschrieben. Ähnlich bei Haushalt und Finanzen – dem Bereich, bei dem sich Markus Wegner mit hartem Sparkurs besonders hervortun wollte. „Hier gibt es keine nennenswerten Unterschiede zu dem, was die SPD uns als Koalitionsangebot offeriert hatte“, beschied Krista Sager.

Im Laufe des Dienstags hatte es so ausgesehen, als wolle die Statt Partei noch einmal aufbegehren, um wenigstens ihre Positionen zur Hafenstraße und die Forderung nach der Wahl der Bezirksamtsleiter durchzusetzten. Doch auch dies mißlang kläglich: „Die Kooperationspartner streben die Umstrukturierung der Bezirksverwaltung einschließlich der Neuordnung des Haushaltswesen der Bezirke bis zum Ende der Legislaturperiode an“, so der Vetragstext. Genügend Spielraum für Nachbesserungen á la Voscherau also.

Bauchlandung auch bei der Hafenstraße: Die Wählervereinigung hatte ein alternatives Kommunikationszentrum für die Baulücke neben den bunten Häusern gefordert – hier wollen die SPD Wohnungen und die Bewohner der Hafenstraße ein Stadtteilzentrum bauen. Das Ergebnis des mehrstündigen Palavers zwischen Wegner und Voscherau im Wortlaut: „Im Hinblick auf die Räumung der Hafenstraße sind sich die Kooperationspartner einig, daß der Senat eine Räumung (...) nur aufgrund eines Beschlusses der Bürgerschaft vornehmen wird“ – noch ein Voscherau-Essential pur. Wegners Klausel: Die Statt Partei wird der Räumung so lange nicht zustimmen, bis weitere Lösungsversuche zur Vermeidung einer etwaigen Eskalation erfolglos geblieben sind. Wen kümmerts, mag sich der Bürgermeister gedacht haben, kann er doch hier getrost auf die Berechenbarkeit der CDU setzen.

Im Nachgeben treu blieb sich die Statt Partei schließlich auch in der Frage des Fraktionszwangs. Den werde es bei ihnen nicht geben, betonte Wegner am Dienstag abend. Wohl aber eine „tragfähige Fraktionsdiziplin“. Folglich verbot sich die Wählervereinigung vertraglich, im Parlament und in den Auschüssen mit wechselnden Mehrheiten zu stimmen.

Sannah Koch Siehe dazu auch Seite 5 und 10