'Meine Tür ist 5 x gesichert'

■ Der Innensenator über Bettler, Heilsarmee, Türschlösser. Kriminalität, Teil 7

Rundum steigt die Kriminalität, nur in Bremen offenbar nicht - sagt der Senator. Wie hat er das nur gemacht? Gut zwei Jahre nach seinem Amtsantritt befragten wir Innensenator Friedrich van Nispen.

Lebt man in Bremen heute sicherer als noch vor zwei Jahren?

Friedrich van Nispen: Wenn ich mir die Kriminalstatistik anschaue, kann ich das mit Ja beantworten. Wir haben im 1992 in der Stadt zwar noch einen Kriminalitätsanstieg gehabt von 2,7 Prozent - bemerkenswert aber war, daß wir gemeinsam mit dem Saarland Schlußlicht waren. Früher lagen wir immer im oberen Drittel. Und im ersten Halbjahr 1993 hatten wir sogar erstmalig einen realen Rückschritt der registrierten Kriminalität von 6,6 Prozent. Das kann keine andere Großstadt vorweisen. Zum Beispiel Wohnungseinbrüche am Tag: im ersten Halbjahr 1992 waren es 1.038, im ersten Halbjahr diesen Jahres nur noch 572 - das ist ein Rückgang von 44,8 Prozent..

Wie haben Sie das denn angestellt?

Das liegt an der verstärkten Polizeipräsenz, an den Einsätzen gegen die Drogen- und Drogenbegleitkri minalität und gegen die Zuwandererkriminalität. Genau bei den Tageswohnungseinbrüchen, bei den Rauschgiftdelikten und den Diebstahldelikten haben wir Rückgänge zu verzeichnen.

Nun wollen Sie auch die BürgerInnen mehr beteiligen an der Bekämpfung der Kriminalität ...

Immer härtere Gesetze, immer mehr Polizei - das sind die alten Methoden, damit fahren wir glattweg gegen die Wand. Man braucht intelligentere Ansätze, zum Beispiel stärkere Eigenvorsorge ...

Also dickere Riegel an die Tür...

Ja zum Beispiel. Meine Haustür etwa ist nicht einmal oder zweimal, sondern fünfmal gesichert.

Und die Beiräte sollen präventiv durch den Stadteil streifen und nach kritischen Punkten suchen - den Beirat Mitte zum Beispiel begeistert diese Idee gar nicht.

In Schwachhausen begrüßt man die Idee. Andere wollen erstmal wissen, wieviel Personal sie bekommen - das sind die üblichen bürokratischen Mechanismen, die auftreten, wenn jemand eine neue Idee hat. Also darf man das auch nicht überbewerten. Unsere Idee war ja, Verschiedene an einen Tisch zu holen, weil oft andere Institutionen exzellente Kenntnisse haben über Gefährdungssituationen im Stadtteil.

Aber das geht ja doch sehr in Richtung Blockwartmentalität ...

Ich will ja nicht die Sicherheit und das staatliche Gewaltmonopol an Beiräte und andere abgeben, sondern sie auffordern, darüber nachzudenken, ob sie nicht mehr sein könnten als nur Konsumenten. In vielen anderen Ländern, zum Beispiel in Amerika oder England, denkt man schon längst über solche Ideen wie Neighbourhood- Watching nach.

Der Trend bei den Polizeien der Länder geht dahin, sich auf die Kriminalität zu konzentrieren, die besonders viel Schaden anrichtet, zum Beispiel Gewaltkriminaltität. Bei Ihnen hat man nun aber den Eindruck, daß Sie Polizeibeamte zur Stadtkosmetik einsetzen wollen - seit gestern soll es in Bremen möglich sein, aggressiv Bettelnde und öffentlich Trinkende oder Fixende von den Plätzen zu vertreiben.

Das ist keine Erfindung von mir - sondern Polizei und andere Institutionen sagen, wir brauchen da im Falle eines Falles die Möglichkeit, einschreiten zu können - die Dinge nehmen überhand, zum Beispiel unter den Rathausarkaden. Das ist aber nur als ultima ration gedacht. Natürlich werden wir als Polizei nicht einschreiten, wenn jemand sagt ,hamse mal ne Mark'.

“Im Notfall“ wollen Sie eingreifen können - wann tritt der ein?

Wenn die Zustände unerträglich geworden sind - wenn zum Beispiel unter den Rathausarkaden nur noch Penner, Junkies, also Minderheiten verschiedener Couleur sitzen, Alkohol trinken, urinieren ... Wir versuchen doch, Bremen auch werbemäßig voranzubringen. Da werden ganze Gruppen über den Marktplatz geführt - wenn sie aber dieses Bild sehen, können Sie den ganzen Rest vergessen.

Aber wenn Sie die Junkies vom Sielwalleck vertreiben, ändert das doch nichts an der Beschaffungskriminalität.

Die Gesamtheit der Maßnahmen im Viertel hat aber dazu geführt, daß auswärtige Junkies und Dealer in weit geringerem Umfang nach Bremen kommen. Natürlich habe ich nicht die Illusion, mit repressiven Maßnahmen die Drogensucht beseitigen zu können. Aber die Zustände am sognannten Gifteck, am Sielwall, können so nicht bleiben.

Von Ihnen kommt ja auch die Idee, die Heilsarmee dort wegzubekommen?

Es gibt zuviel Infrastruktur dort, die die Szene stabilisiert. Deshalb setze ich mich auch dafür ein, daß die Drobs woanders hinkommt. Und in diesem Kontext habe ich, nachdem ich davon gehört habe, daß nun die Heilsarmee dort ihre Werbeveranstaltung durchführt - denn so kann man das ja auch mal sehen, es wird natürlich im Augenblick von Ihnen und anderen Beteiligten ideel sehr überhöht - habe ich gefragt, bedürfen solche Veranstaltungen nicht der Sondernutzungserlaubnis? Man könnte zum Beispiel verhandeln, ob die Heilsarmee nicht ihre Dienste an einer weniger kritischen Stelle anbietet.

Das sind ja alles Maßnahmen, denen die CDU sicher applaudieren würde - könnten Sie sich vorstellen, auch unter einer CDU-Regierung Innensenator zu sein?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann nur sagen, daß wir in der Innendeputation, in der Grüne, Rote, Blaue, Gelbe und Schwarze vertreten sind, fast alle Themen mehr oder weniger unstreitig erledigen können. Und das ist ja auch das, was diese Stadt braucht unter diesem Problemdruck. Es ist ja nicht so, daß ich mir den ganzen Tag neue Gesetze überlege - sondern wir reagieren auf Problemdruck. Ich stelle zum Beispiel mit Interesse fest, daß diesselben Leute, die noch vor fünf oder zehn Jahren keine Polizisten im Viertel sehen wollten, uns heute tagtäglich bestürmen - da könnten wir vor jedes Haus zwei Polizisten stellen.

Fragen: Christine Holch