Vier läppische Kerzen Von Klaudia Brunst

Meine Eltern haben mir ihren abgelegten Zweitwagen geschenkt, und meine Freundin war total dagegen. Ich will nicht behaupten, daß sie etwas damit zu tun hatte, als der Wagen bald drei knallende Geräusche machte und sich fortan beängstigend still verhielt. Aber sie triumphierte für meinen Geschmack schon sehr auffällig. Angeblich hatte sie schon vorher für eine BahnCard plädiert, weil man mit so einer Individualdreckschleuder eben nur Ärger hat. Das wollte der Tankwart so allerdings nicht bestätigen. Das seien sicher nur die Zündkerzen. Eine Lappalie, eben.

Ich zahlte die 38 Mark, die er für vier Kerzen haben wollte, heimlich. Damit meine Feundin nicht noch mehr Aversionen gegen den Individualverkehr bekam. Aber immerhin fuhr der Wagen wieder – bis zur nächsten großen Kreuzung. Rhythmisches Hupen überzeugte uns sehr schnell davon, daß es wohl doch nicht die Zündkerzen gewesen waren. Fachkompetenz mußte her – und ein Abschleppseil.

Unsere Nachbarin empfahl uns Günther. Das sei so eine Art wandelnder Schraubenzieher. Total billig, total piffig und total alternativ. Das fanden wir natürlich total gut. Und Günther war wirklich ziemlich piffig. Kaum hatte er die Hälfte seiner Zigarette in unseren Luftfilter geascht, da wußte er schon, daß der Übeltäter eigentlich nur der Transistor sein kann. „Eine Lappalie“, nuschelte er, „wenn Ihr eben bei Opel in Rudow das Ersatzteil holt, läuft die Kiste spätestens heute abend wieder.“ Es ist nicht sonderlich leicht, nach Rudow zu kommen, wenn man einen Wagen hat, der nicht mehr kann als dreimal knallen, aber die öffentlich-nahverkehrliche Mühe lohnte sich: Als Günther den Transistor mit unserer Hilfe („Jetzt hier mal eben halten. Ist eigentlich noch was von dem Nica-Kaffee da?“) eingebaut hatte, fuhr der Wagen nämlich wieder. Über drei kleine Ampeln. Große Kreuzungen mag er wohl nicht.

„Dann ist es also doch der Zündverteiler“, triumphierte Günther, erbarmte sich immerhin, uns diesmal seinen Wagen für die Fahrt nach Rudow zu leihen, und sackte den nagelneuen Transistor für sein Ersatzteillager ein („Kann man alles noch brauchen, und eurer läuft schließlich einwandfrei!“). Nach drei weiteren Ausflügen in die ländliche Umgebung und einem halben Tag mit Günther und seinem Nica-Kaffee, hatte ich ein Magengeschwür und viel Verständnis für die Erfindung der arbeitsteiligen Gesellschaft. Aber immerhin: Der Wagen lief. Allerdings etwas zögerlich. „Tja“, meinte Günther, der uns soeben einen guten Preis gemacht hatte und jetzt sorgsam seine 300 Mark (ohne Rechnung) einsteckte, „ich bin ja sowieso für Tempo 100 auf der Avus. Aber wenn's euch so stört, in Rudow gibt's eine Leistungsmeßstelle von Bosch. Da könnt Ihr ja mal gucken, wo er den Speed verliert.“ Mit diesen Worten aschte er ein letztes Mal in den Luftfilter und hielt unsere Geschäftsbeziehung für beendet. Wir fuhren wieder nach Rudow und ließen unser Auto auf dem Tuning- Prüfstand für 50 DM durchchecken. „Zieht doch voll ab für die 45 PS“, meinte der Bosch-Mensch und aschte auf meine Stiefel. „Sie sollten ihn nur gelegentlich mal an der Zündung durchchecken lassen.“ Und so haben wir seit gestern eine BahnCard. Total billig, total pfiffig und total alternativ.