Nordsee bleibt giftig

■ Nordseekonferenz: Völliges Versagen

Kopenhagen (taz) – Von 1985 bis 1995 sollte eigentlich die Einleitung von Stickstoffen und Phosphaten in die Nordsee halbiert werden. Darauf hatten sich die acht Teilnehmerstaaten der zweiten Nordseekonferenz 1987 in London verständigt. Bei der gestern in Kopenhagen abgeschlossenen Nordseekonferenz der Umwelt- und Landwirtschaftsminister wurde klar: Das vor sechs Jahren angepeilte Ziel wird von keinem einzigen Nordseeanrainer auch nur annähernd erreicht werden. Um maximal 20 bis 30 Prozent wird reduziert. Schlimmer noch: Die 13 vorgelegten Teilrapporte über den Zustand der Nordsee lesen sich wie Katastrophenberichte.

Weit umfangreicher als das, was an Stickstoff aus den Flüssen und Bächen in die Nordsee eingeschwemmt wird, ist die Zufuhr aus der Atmosphäre. Nach aktuellen Schätzungen wird die Nordsee jährlich mit 500.000 Tonnen Stickstoff aus Schornsteinen und Autoauspuffen von oben gefüttert. Das sind gut 100.000 Tonnen mehr, als Themse, Seine, Elbe, Rhein und die anderen Flüsse in die Müllkippe Europas entladen.

Katastrophale Ergebnisse auch für eine Reihe anderer Umweltgifte: Der Gehalt an Schwermetallen wie Kadmium und Quecksilber und chlororganischen Verbindungen ist in den vergangenen Jahren in verschiedenen Meeresgebieten deutlich angestiegen.

Giftiger werden vor allem die tieferen Meeresgebiete wie die „Norwegische Rinne“ im Skagerrak. Gleich drei der in Kopenhagen vorgelegten Teilrapporte beschäftigen sich mit diesem Problemgebiet. PCB, Teerstoffe und Schwermetalle sammeln sich dort im Bodensediment und bleiben liegen wie ein Giftschwamm.

Die von ExpertInnen erhoffte Verdünnung und Verteilung der Giftbelastung erweist sich als bloßes Wunschdenken. Nichts verschwindet, nichts verdünnt sich. Es wird von den Meeresströmungen höchstens mal woandershin getragen. „Mehr als alarmierend“ findet das der Chef der norwegischen staatlichen Verunreinigungsbehörde (SFT), Harald Rensvik.

Die SFT hat auch festgestellt, daß praktisch die ganze Nordsee mittlerweile unter den Ölbohrungen leidet. Wo auch immer heute Nordseefisch analysiert wird: Öl wird sicher gefunden.

Zu allem Überfluß droht der Nordsee auch noch die radioaktive Verseuchung. Greenpeace erinnerte in Kopenhagen an die Gefahren, die durch die britischen Wiederaufbereitungsanlagen Thorp und Dounreay verursacht werden. Die Strahlenbelastung durch Sellafield sei im Nordatlantik bis hinauf zum Eismeer schon jetzt wesentlich höher als die durch die russischen Atommüllversenkungen und atomare Versuche.

Während es an Dreck nicht fehlte, fehlte es in Kopenhagen an verantwortlichen Ministern. Von den Umweltministern fehlte ausgerechnet der deutsche Klaus Töpfer (CDU), nur zwei Landwirtschaftsminister erschienen überhaupt, Jochen Borchert (CDU) war nicht dabei. Reinhard Wolff