Der Exmatrikulator an der Goethe-Uni

■ An den Universitäten formiert sich der Protest gegen geplante Studienreform

Frankfurt/Main (taz) – Sie wissen, daß Arnold Schwarzenegger aus Österreich der gefürchtete Exterminator ist. Aber kennen Sie auch den nicht minder gefürchteten Exmatrikulator? Der treibt in diesen Tagen an der JohannWolfgang-Goethe-Universität zu Frankfurt am Main sein Unwesen. Sein Auftrag: Langzeitstudenten aus den Seminaren zu „fischen“ und der universitären Exekution – sprich: Exmatrikulation – zuzuführen.

Mit phantasievollen Aktionen wehren sich Studierende in dieser Woche bundesweit gegen die (von ihnen) sogenannten „Deformen“, die Bund und Länder zur Straffung des Studiums angekündigt haben: Neun Semester Regelstudienzeit und die Einführung von Strafgebühren bei Zeitüberschreitung. Und danach droht den „Probanden“ die Zwangsexmatrikulation. Die Hochschule, so ein Sprecher der Studentinnen und Studenten aus den Fachbereichen Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften, die am Dienstag den „Soziologenturm“ im Kernbereich der Universität besetzt hielten, verkomme so zur „Lernfabrik“: „Wir werden ein Studium nach Norm bekommen – DIN A9.“

Schon heute herrschten an den Universitäten miserable Studienbedingungen. Und die „Deform“ werde die „Ellenbogenmentalität“ in den überfüllten Seminaren und Vorlesungen noch verstärken: „Der psychische Druck auf alle wird ansteigen. Durch eine Klausur zu fallen, wird dann noch problematischer werden, da das unter Umständen bedeuten kann, daß das vorgegebene Zeitbuget überschritten werden muß.“ Danach müsse dann nicht mehr nur das Geld für den Lebensunterhalt, sondern auch für die drastischen Strafgebühen aufgebracht werden: „Die Quintessenz davon ist, daß es all die Studierenden, die keine Eltern haben, die ihnen das Studium finanzieren können, sehr schwer haben werden, das Studium überhaupt noch zu packen.“ Ein weiterer Kernpunkt der studentischen Kritik an der „Deform“ ist das anvisierte zweigeteilte Studium. In der Aktionszeitung FAAZ (Frankfurter Allgemeine Aktionswochen Zeitung) heißt es dazu, daß geplant sei, das Studium in ein „berufsqualifizierendes Schmalspurstudium“ und in ein darauf aufbauendes „wissenschaftliches Studium“ zu splitten – „ein Studium nur für die ausgesuchte Elite“.

Doch die studentischen Aktivisten haben es nicht nur in Frankfurt/Main schwer, aus den KommilitonInnen engagierte MitstreiterInnen zu machen. Man muß sie suchen, die „neue Studentenbewegung“ an der Universität. An der Besetzung des „Soziologenturms“ am Dienstag beteiligten sich knapp 100 Studierende. Und während dort im „Streiklokal“ lebhaft diskutiert wurde, herrschte in (fast) allen anderen Hörsälen und Seminarräumen übervoller Normalbetrieb. Vor allem an den wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen und an der juristischen Fakultät geht das universitäre Leben seinen ungestörten Gang.

Sabine (21) etwa ist Studentin der Volkswirtschaft und eine selbsternannte „Karrierefrau“. Sie will in acht Semstern fertig mit der Uni sein und dann in der freien Wirtschaft „an das große Geld“ kommen. Und was die Kommiliton Innen an der „Deform“ kritisieren, findet Sabine „voll in Ordnung“: Natürlich müsse die Hochschule nach den Bedürfnissen der Wirtschaft umstrukturiert werden, denn „wir alle wollen doch nach dem Studium einen guten Job finden“.

Doch auch Sabine und ihre Mitstudierenden mit den „klaren Zielvorstellungen“ können sich der Renitenzbewegung an der Uni nicht ganz entziehen. In der Mensa forderten Studenten mit Megaphonen zum „schnelleren essen“ auf, weil man demnächst nur noch neun Semester Zeit habe. Und auch das Transparent auf dem Campus ist nicht zu übersehen: „Arsch hoch!“ Ab heute heißt das: Streik an der Goethe-Universität. Klaus-Peter Klingelschmitt