Ein Signal, daß ein Mörder als Mörder bestraft wird

■ In Zeiten grassierender Fremdenfeindlichkeit in Deutschland kommt den konse- quenten Urteilen im Prozeß gegen die Attentäter von Mölln immense Bedeutung zu

Strafgerichte können Signale setzen. Sie können die Stimmung in der Gesellschaft beeinflussen und Normen des Zusammenlebens bestärken. Mit den Urteilen von Mölln gibt es ein solches Signal. Eines, das unmißverständlich klarmacht: Wer das Leben eines Menschen, gleich welcher Hautfarbe oder Nationalität, vorsätzlich vernichtet, ist ein Mörder und wird als solcher bestraft.

Gerade zum jetzigen Zeitpunkt kommt dem Urteil in einem der wichtigsten Prozesse der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte immense Bedeutung zu. Während Jungmänner nach wie vor losziehen, um Flüchtlingsheime mit Brandsätzen anzugreifen, endete der Prozeß gegen die Brandstifter von Sachsenhausen in einem Fiasko: Die mutmaßlichen Täter mußten aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden. Und in Solingen haben sich die Ermittler selbst ausgetrickst: Allem Anschein nach sitzen drei der vier Tatverdächtigen zu Unrecht in Untersuchungshaft.

Die Brandnacht von Mölln war das schlimmste Verbrechen mit rassistischem Hintergrund im letzten Jahr. Da war er wieder, der häßliche Deutsche, auf den das Ausland mit Fingern zeigte und den die bundesdeutsche Öffentlichkeit so schnell wie möglich hinter Gittern sehen wollte – als wäre damit bereits der Fremdenfeindlichkeit ein Riegel vorgeschoben. Vor allem Politiker forderten lauthals eine besonders harte Bestrafung der Schuldigen; das widerspricht nicht nur demokratischen Grundsätzen, es geht auch völlig an der juristischen Praxis vorbei.

Denn die Justiz muß in Verfahren gegen rechtsradikale Gewalttäter nicht überreagieren, sie muß nur adäquat reagieren. Was sich als Routine bei Prozessen gegen rechtsradikale Gewalttäter eingeschlichen hat, läßt sich schlicht in drei Punkten beschreiben: 1. den Vorsatz der Täter nicht ernst zu nehmen; 2. die Tat in ihren Konsequenzen zu verharmlosen; 3. das mögliche Strafmaß nicht annähernd auszuschöpfen. So ist das Fazit nach den Rostocker Pogromen, deren juristische Aufarbeitung in diesem Herbst abgeschlossen worden ist: aus 260 Festnahmen, 32 Haftbefehlen und 300 Ermittlungsverfahren resultierten 32 Anklagen. Das höchste Strafmaß belief sich auf drei Jahre Jugendstrafe. Die meisten Angeklagten kamen mit Bewährung davon. Auch anderenorts werden Brandbombenwerfer, die „nur“ Sachschaden angerichtet haben, in der Regel auf Bewährung verurteilt.

Doch nicht das Strafmaß ist das Problem, sondern häufig die Urteilsbegründung. Rostocker Richter werteten den Wurf von Molotowcocktails als „lediglich symbolisches Aufmucken“. Ein Richter der Lübecker Jugendkammer meinte, die Folgen eines Brandanschlags wären „zu groß für das Vorstellungsvermögen“ des 20jährigen Angeklagten. Die Signale, die durch derartige Einschätzungen in der Gesellschaft und vor allem in der Rechtsszene ankommen: Gegen Ausländer kann man (fast) alles machen, und es passiert einem wenig bis gar nichts!

Abgewiegelt wird an deutschen Gerichten selbst dann, wenn durch rechtsradikale Anschläge Menschen umkommen. Angeklagt wird in der Regel nicht wegen Mordes, sondern lediglich wegen Totschlags oder schwerer Körperverletzung mit Todesfolge. Im Jahre 1992 wurden 17 Menschen durch Rechtsradikale getötet. Von den Tätern wurde bisher nur ein einziger zur Höchststrafe verurteilt. Er hatte in einem Ausländerwohnheim in Kemnac einen 55jährigen Arbeiter mit einem Baseballschläger im Bett erschlagen. Das Gericht befand im Mai diesen Jahres auf Mord – bis zu den Urteilen von Mölln das erste Mal bei einem rechtsradikalen Gewaltdelikt.

Die Richter des Zweiten Strafsenats des Oberlandesgerichts in Schleswig sind in keine der Fallen getappt, in denen sich ihre Kollegen so häufig verfangen. Sie haben einerseits dem Druck der Öffentlichkeit und der Politiker widerstanden, ganz schnell zur Beruhigung der Gemüter Sündenböcke zu präsentieren. Andererseits haben sie die Täter und ihr Umfeld ernstgenommen, die Tat in ihrem ideologischen Hintergrund angemessen beschrieben, und entsprechend gewertet. Sie haben kein hartes Urteil verhängt, sondern ein adäquates. Baschka Mika