Sparpaket mit Milliarden-Loch geschnürt

■ Vermittlungsausschuß hat sich geeinigt: SPD setzt unbegrenzte Arbeitslosenhilfe durch, akzeptiert dafür die meisten Einschnitte

Bonn (taz) – Auf zwiespältige Reaktionen ist der Kompromiß des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat zum Sparpaket gestoßen. Während Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände unverändert die soziale Schieflage der Beschlüsse kritisierten, äußerten sich Sprecher von SPD und CDU zufrieden. Skeptische Töne auch bei FDP und CSU, beide Parteien wollen jedoch den Verhandlungsergebnissen zustimmen.

Nach mehrstündiger Verhandlung im Vermittlungsausschuß konnten die Unterhändler in der Gewißheit auseinandergehen, daß die beiden Sparpakete aus dem Hause Waigel ausreichende Mehrheiten finden werden. Die SPD konnte zwei wichtige Veränderungen durchsetzen. Im Sparpaket I wurde die vorgesehene Befristung der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre aufgehoben. Davon profitieren auch die Kommunen, die als Träger der Sozialhilfe für die Folgekosten hätten aufkommen müssen. Den Betroffenen bleibt der Weg zum Sozialamt erspart. Die sogenannte „originäre“ Arbeitslosenhilfe für Ex-Studierende und andere junge Arbeitslose, die zuvor keine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben, wird jedoch auf ein Jahr befristet. Im Sparpaket 2 wurde die Nullrunde für Sozialhilfeempfänger von Mitte 1994 bis Mitte 95 aufgehoben. Die Sozialhilfe soll höchstens um 2 Prozent steigen und darf die Nettolohnerhöhungen nicht übersteigen. Im Extremfall könnte auch das zu einer Null-Steigerung führen.

Dieser Kompromiß hat natürlich Folgen bei den Kosten. Das Sparvolumen des Bundes sinkt gegenüber dem vom Bundestag beschlossenen Paket um runde zweieinhalb Milliarden DM, von 21 auf etwa 18 bis 19 Milliarden DM. Ob und wie dieses Loch gestopft werden kann, ließen die Unterhändler von Union und SPD offen. Fest steht, daß der Haushalt trotz weiter bestehender Einwände die Entscheidungsgremien passieren wird. Sparpaket 1 enthält unverändert die Kürzungen bei den Lohnersatzleistungen, also beim Arbeitslosen-, beim Unterhalts-, Schlechtwetter-, Kinder- und Erziehungsgeld. Der Hauptbrocken: Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld werden von 63 auf 60 Prozent gesenkt, für Betroffene mit Kindern von 68 auf 67. Das Unterhaltsgeld (Leistungen für berufliche Weiterbildung von Arbeitslosen) wird in laufenden Fällen von 65 auf 63 beziehungsweise von 73 auf 68 Prozent für Betroffene mit Kindern gesenkt. Für neue Fälle ist die Kürzung ab 1994 noch deutlicher (60 beziehungsweise 67 Prozent).

Im Sparpaket 2 bleibt es bei der Verpflichtung von Sozialhilfeempfängern zu gemeinnützigen Arbeiten, allerdings „sollen“ die Gemeinden die Arbeitsplätze nur bereitstellen, sie „müssen“ es nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen. Beim zweiten Paket will die SPD nach den Ankündigungen ihres Verhandlungsführers Peter Struck auch im Bundestag zustimmen. Das erste Paket will die SPD im Bundestag nach wie vor ablehnen, weil der Sozialabbau insgesamt nicht habe verhindert werden können, wie Struck erklärte. Es wird jedoch wegen des erreichten Erfolgs bei der Arbeitslosenhilfe nicht am Bundesrat scheitern. Die FDP, im Vermittlungsausschuß ohne Einfluß, kritisierte vor allem das gesunkene Sparvolumen. Es bleibe offen, so Otto Graf Lambsdorff, wie die entstandene Lücke im Bundeshaushalt gefüllt werden solle, der Kompromiß laufe auf weitere Verschuldung hinaus. FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms verlangte die Streichung weiterer gesetzlicher Leistungen, nannte aber keine konkreten. Es sei den Ländern gelungen, sich auf Kosten des Bundes zu bereichern.

Der Kompromiß sei „enttäuschend“, erklärte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. Daß wesentliche Einschnitte ins soziale Netz bestehen bleiben, bemängelte auch die DAG. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) sprach von einem „faulen Kompromiß“. Der DPWV wandte sich gegen die Abkehr vom Bedarfsdeckungsprinzip bei der Sozialhilfe. Tissy Bruns

Kommentar Seite 10