Amüsierte Bitterkeit

■ Wiglaf Droste las im Bramfelder Kulturladen

Weit draußen hinter den Türmen der Mundsburg, da liegt an der Bramfelder Chaussee ein verwunschenes Stadtteilkulturzentrum, in dessen Namen die Geschichte von Emanzipationsbewegung, Oral-History und Origami mitklingt: der BraKuLa. Hier draußen — praktischerweise liegt er für die Bramfelder eben in direkter Nachbarschaft — trafen sich am Mittwoch abend die Fans der Gedichte, Geschichten und Texte eines gewissen Herrn Wiglaf Droste, Schriftsteller, Anarchist und Journalist mit literarischem Anspruch.

Der Beginn der Lesung im großen Saal, dicke tragende Balken verbreiten ländliche Gemütlichkeit, verzögert sich etwas, da es nicht so einfach ist, in Bramfeld per pedes ein Restaurant zu erreichen — wie sich die Verspätung bei Drostes Ankunft aufklärt. Doch das Gericht „Lustiger Bosniak“ auf der Speisekarte könnte der Anfang einer kleinen Geschichte werden, aufgesammelt in Bramfeld.

Im Publikum, das souveräne Geduld beim Warten bewies: Studierende und andere junge Leute um die 30, paar älter, paar jünger, so eine Art sportive Grunger aus Zeiten, als es Grunge noch gar nicht gab. Zur Tat schreitet, den einst wilden Wuschelkopf auf halbe Streichholzlänge gestutzt, der Maestro mit der Nyltest-Tasche auf die Bühne. Das Gartentischchen wackelt hübsch, ein grünblättriges Topfpflänzchen sorgt für den zeremoniellen Rahmen, gleich das richtige Ambiente zum ersten Thema Frauen und Gesundheit: „Die Frau, das Gesundheitswesen“, das sich über einen rauchenden Proleten im U-Bahnhof ereifert, und Droste jault ihren Ausbruch mit aller verfügbaren Weh- und Lächerlichkeit: „Ich will leben! Leeben!“ „Wozu?“, die trockene Antwort des Proleten, und die Geschicht' ist aus.

Und er legt, lakonisch und mit amüsierter Bitterkeit, reichlich nach: Geschichten aus den Büchern „Am Arsch die Räuber“ und „Mein Kampf, dein Kampf“, die man in Anwesenheit des Autors nicht als Satire bezeichnen sollte, die aber doch über satirische Qualitäten verfügen; aktuelle, eher journalistische Texte wie einen am Mittwoch morgen geschriebenen (“Althans im Glück“) zum politischen Theater um den Dokumentarfilm Beruf Neonazi (“Is' das Hirn zu kurz gekommen, wird eben Moral genommen“); Rückblicke in die jüngere Geschichte, als die BRD noch BRD und Honeckers Musikgeschmack zu loben war, da er die „Einweisung des Liedermachers Stefan K. in die BRD“ verfügte. Aktualisiert auch der Ausblick auf den „Bücherfrühling“, der den Hamburgern den Nachfolgeseller von Benoit Groult verspricht: „Pfeffer auf unserem Sack“. Man lacht herzlich, beißt sich manchmal doch unwillkürlich verschämt auf die Unterlippe, und brüllendes Gelächter bleibt aus — hier draußen in Bramfeld, wo der Brakula eben doch die kulturelle Entwicklung pflegt.

Julia Kossmann

“Am Arsch die Räuber“, 19,80 DM; „Mein Kampf, Dein Kampf“, 19,80 DM; „In 80 Phrasen um die Welt“, 12 DM; Ed. Nautilus