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Aida in Wilhelmsburg

■ Giuseppe grüßt Henning / Heute abend segnet der Parteitag der Hamburger Sozialdemokraten Voscheraus Koalition mit sich selbst   Von Uli Exner

Wie wär's denn mit Verdi? Der Triumphmarsch dürfte durchaus die passende Untermalung sein, wenn Henning Voscherau heute abend durch den großen Saal des Wilhelmsburger Bürgerhauses schreitet, um sich und seinem Ko-operationsvertrag mit der Statt-Partei von den Delegierten des SPD-Parteitags huldigen zu lassen. Oder sollten da etwa ein paar Pfiffe den rauschenden Beifall stören? Oder gar unbelehrbare Rotgrün-Fanatiker die Voscherausche Senatoren-Liste bei der Abstimmung durchrasseln lassen? Wohl kaum.

Voscherau ist obenauf, seine parteiinternen Gegner hat er mit dem clever angesetzten Knock-out für Rotgrün gleich mit außer Gefecht gesetzt. Ein einziges von 24 Mitgliedern des SPD-Landesvorstands erhob am Mittwochabend noch Widerspruch. Der Rest der sozialdemokratischen Funktionärsriege nickte Voscheraus konservativ geprägten Kooperationsvertrags-Entwurf ebenso ab wie die unerfahrenen Polit-Novizen von der Statt Partei. Zur Erinnerung: Das Ganze ereignete sich zwölf Wochen nach seiner Wahlniederlage, bei der Voscherau nur um Haaresbreite an einem Ergebnis – SPD unter 40, Rechtsextreme im Parlament – vorbeigeschrammt war, für das er selbst seinen Rücktritt angekündigt hatte. Phoenix in rotgrauer Asche. Giuseppe selig wäre entzückt gewesen.

Aber halt. Stop, werden die Genossen um Parteichef Helmuth Frahm, Walter Zuckerer und Jan Ehlers jetzt rufen. Wir haben doch unser möglichstes getan, um Rotgrün und damit unseren Willen durchzusetzen. Wir haben Voscherau am 8. Oktober überstimmt. Wir haben ihn schließlich dazu gebracht, ernsthaft mit der GAL zu verhandeln. Wir haben ihm weitgehende Zugeständnisse abgerungen, die auch die rotgrauen Verhandlungen überdauert haben. Was heißt denn hier Aida?

„Für Rotgrün stehe ich nicht zur Verfügung“, hatte Henning Voscherau den rechten Genossen vom „Lauenburger Kreis“ schon im Juni in einem Wandsbeker Altersheim versprochen. Daran hat er sich gehalten, auch wenn aus dem erhofften „Wahlsieg mit Wumm“ nichts wurde. Na und?

Die Hoffnung der Linken, sie könnten „Henning mitnehmen“ ins rotgrüne Himmelbettchen, darf getrost in die Kategorie Selbstbetrug eingeordnet werden. Wer Rotgrün durchsetzen wollte, der hätte am 8. Oktober – Voscherau hatte nach der Abstimmungsniederlage seinen Rücktritt angeboten – gegen den Senatschef stimmen müssen. Den Mut hatte außer Hüseyin Yavuz (siehe Interview) allerdings niemand. Nur Bausenator Eugen Wagner enthielt sich der Stimme. Er wollte weder Voscheraus Rücktritt, noch die rotgrüne Ehrenrunde, über deren Ausgang sich der Bausenator ohnehin im Klaren war: Henning würde die Linken mit zur Statt Partei nehmen, nicht andersrum. Ein paar Brosamen im rotgrauen Vertrag und schon: Taaa-taaaa tatata ta ta ta tatatataaa ta ta..

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