Ich hatte keine Buschzulage

■ Klaus Pierwoß, neuer Bremer Intendant, als Ostwessi / Ein Talk im Theater

Werder und Wetter zum Trotz: Immerhin fast 100 Leute ergriffen am Mittwoch abend die Gelegenheit beim Schopf, den künftigen Leiter des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß, einmal live zu erleben. Das Theater hatte zusammen mit dem Bildungswerk Umwelt und Kultur und dem Institut für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien der Uni Bremen zu einem Diskussionsforum eingeladen. Thema: „Kultur und Medien im Zeichen der Wiedervereinigung“. Die Moderation teilten sich Ulrich Fuchs, Dramaturg am hiesigen Theater, und Wolfgang Emmerich (Uni Bremen).

Zwei Zeugen waren geladen, zwei Wessis, die es in den Wilden Osten verschlagen hatte, zwei Herren, die man ehedem als Linke bezeichnet hätte. Zu einer „Diskussion“ kam es folgerichtig nicht, als Klaus Pierwoß, der 1990 von Köln aus als Chefdramaturg ans Ostberliner Maxim Gorki-Theater ging, an einen Tisch mit Hans-Jürgen Rosenbauer gesetzt wurde. Rosenbauer („Als 68er habe ich gegen Rassismus und Miefigkeit gekämpft, bei der Wiedervereinigung hatte ich Angst vor dem Kleinbürgertum Ost-West, und jetzt haben wir die ganze Scheiße wieder“) ist aus dem Fernsehen bekannt: vom „Weltspiegel“ des WDR und als einer der ersten deutschen Talk- Showmaster. Heute ist er Intendant beim Brandenburger Rundfunk ORB.

Expeditionsberichte also gab es zu hören. Vom populären TV-Reporter, der „aus dem satten Rheinland, wo die Leute schlecht gelaunt sind“, ins arme Potsdam zog an einen Sender mit 95 Prozent Ostlern. Die so autoritätsfixiert seien, daß der Chef sie ein Jahr lang bearbeiten mußte, bis sie endlich einen Redaktionsrat wählten, der ihm Ärger machen soll. Und daneben die Jungs vom Jugendfunk, die ein beispiellos frisches Radio machen - „mit einer Sprache zwischen Prenzlauer Berg und Thomas Mann“.

Von Lobens- und Erhaltenswertem weiß auch Klaus Pierwoß zu berichten, der brave Kultursoldat, der für 2.500 Mark brutto („keine Buschzulage!“) in den Osten ging und Quartier im tristen Berliner Plattenbaubezirk Marzahn bezog. Er hatte schon als Dramaturg in Tübingen und Intendant in Köln so regen Kontakt zu DDR-Theaterleuten, daß auf ihn der Verdacht fiel, der DKP anzugehören oder gar mit dem KGB zu kooperieren. Er fand ja immer schon: „Das Theater in der DDR gehörte auf die Haben- Seite.“ Der Ruf ans Maxim Gorki- Theater „elektrisierte“ ihn. Dort wagte er sich im August 1990 als einziger Wessi unter 200 Ossis und hatte „extreme Probleme“, nicht zuletzt mit dem „stalinistisch geprägten“ Intendanten. Und doch: „Ich bin froh, daß ich das gemacht habe,“ erklärt Pierwoß, der auf die heilende Kraft der konkreten Zusammenarbeit hofft.

Insofern logisch, was der Ostwessi schon mal ankündigt: Wenn er im nächsten Jahr nach Bremen kommt, wird er einige junge Ostschauspieler im Gepäck haben. Mal sehen, „ob es explosiv wird oder sich produktiv reibt“. Übrigens berlinert Pierwoß schon ganz leicht. Burkhard Straßmann