Undercover mit Buchcover

■ Realsatiren-Sammlung des „Eulenspiegel“ erschienen

Autoren haben es manchmal schwer: Kaum ist das Buch auf dem Markt, flattert die Morddrohung ins Haus. Nur unwesentlich besser ergeht es dem Redakteur des Satiremagazins Eulenspiegel, André Mielke: „Wenn ich den Mielke treffe, dem hau' ich eins in die Fresse, da vergess' ich meinen Friedenspreis.“ So der greise Revolutionsführer Friedrich Schorlemmer, nachdem Mielke und sein Kollege Georg Behrend (wohl zu Recht) vermutet hatten, auch Schorlemmer hätte als „Kopf der Wende“ nur zu gern Modell gelegen, „wäre da nicht die Strenge des Glaubens“ (die ihn beim Kirchenvolk unglaubwürdig gemacht hätte).

In der Tat ist es das Verdienst der beiden Autoren, mit Hilfe der Gipsabdrücke der „Köpfe der Wende“ gezeigt zu haben, was im Innern dieser Köpfe vorgeht. Führende DDR-Revolutionäre wie Sabine Bergmann-Pohl und Rainer Eppelmann, die es in entschiedener Selbstüberschätzung gar nicht erwarten konnten, sich im Berliner Panoptikum verewigt zu sehen, brachten der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel einige Popularität ein.

Die Eulenspiegel-Redaktion hat schon so einige Aktionen dieser Art unternommen, um die Befindlichkeit der Deutschen im vereinten Vaterland zu untersuchen (gesammelt im Band „Aufmerksam und rücksichtlos“). Die Grundidee: Warum dem Leser vorjammern, im Lande stehe nicht alles zum besten, die herrschende Politik sei keineswegs überzeugend? Es geht eleganter, indem man Bevölkerung und Politiker selber zu Wort kommen läßt.

Dem Berliner Verkehrssenator wird per Lautsprecher der Original-Verkehrslärm einer Hauptstraße aufs Grundstück (ruhige Wohnlage) gedröhnt. Sein Kommentar (hinterbracht durch die Tochter): „Das ist ruhestörender Lärm!“ Noch Fragen? Auch zeigen die Autoren einen Ost-Bürgermeister, der seine Gemeinde mit Hilfe eines Heldenfriedhofs für gefallene Somalia-Kämpfer zum Wohlstand führen will.

Bei adäquatem Auftreten erreichen sie fast immer ihr Ziel, offiziell wirkende Schriftstücke öffnen alle Türen. Dabei sind Behrend und Mielke gute Moderatoren. Sie hauen niemanden in die Pfanne, den verschreckten Ostlern gehört ihr Mitgefühl. Wenn allerdings die hohen Damen und Herren ihre Ignoranzen unbedingt zur Schau stellen wollen: Die Autoren lassen ihnen stets ihren Willen.

Während andere Publikationen zur gesamtdeutschen Realität den Leser verzweifeln lassen, hat er hier einen kleinen Trost: Der Wahnsinn hat Methode. Helmut Krähe

„Aufmerksam und rücksichtslos“, Eulenspiegel-Verlag, 95 Seiten, 19,80 Mark.