Zwischen den Rillen
: Die Bibel in den Zeiten der Kohlära

■ Ins Dunkel geröhrt: Die Neue von Printed At Bismarck's Death

Vorhang auf. Martin von Arndt, Sänger von Printed at Bismarck's Death, kauert verloren in einem gefliesten Klo und umarmt den Toilettendeckel. Eine wildgelockte Dame streckt sich erotisch und blickt dem Nichts, das gefühlig aus dem Lied strömt, entschlossen ins trübe Auge, während ein bärtiger Herr älteren Jahrgangs, der Vater des Keyboarders Ansgar Noeth, in die Kamera starrt.

Hier wird „O what can ail thee ...“ aufgeführt, und wer es nicht schon an der Musik gemerkt hat, kapiert es spätestens beim Video: Es geht wohl mal wieder um Emotionen, um die Frontalattacke der burning soul, des yearning, um all die verlangenden Herzen und brustkorbweitenden Sehnsüchte.

Printed at Bismarck's Death stehen nach ihrem zweiten Album „Via Lacrimosa“ im Ruch der großen Geste. Opernhaft voluminöse Soundtracks, ins Dunkel geröhrt. Jetzt aber soll – fast – alles anders sein: „O what can ail thee ...“ perlt den Dancefloor hinab. Stufe um Stufe wird in den schönen, bösen Tunnel Dunkelheit hineingetanzt – um doch nie an jenes Ende zu gelangen, das vielleicht Licht bedeuten kann.

Das mit dem Licht geht auch nicht so richtig an – obwohl man schon vorausweisen will. Schwer lastet die Bürde der Welt auf den Rücken der drei Jungen von Printed at Bismarck's Death. Ihr drittes Album ist dem „blutigen jugoslawischen Krieg und seinen Opfern“ gewidmet. Überhaupt die Widmungen. Sie schreien: „Es sei mehr hier als Unterhaltung und schnöder Kommerz“, oder: „Achtung, Ambitionen!“ James Joyce, Theodor Storm, Vaslav Nijnsky, Keats und das älteste Buch der Welt werden bemüht. Es geht eben nicht allein um Gefühle. Auf dem Stundenplan von PABD steht, neben anderem Hochkulturell-Künstlerischen, die Bibel in den Zeiten der Kohl-Ära, das christliche Zitat in Symbolfunktion. Altsozialist und Hammerwerfer Martin von Arndt sieht das so: „Das Symbol hat sich dieser Tage seiner eigentlichen Verweisfunktion begeben und ist zur alleinigen Realität geworden.“

Uff. „Symbolische“ Klänge umwabern ein Ich, das sich im Tanze verliert. Da werden Anklänge an die Sisters Of Mercy ebensowenig gescheut wie minimalistische Streichersimulationen. Die Erinnerungen an das Dancefloor-Projekt Pressure Drop haben offenbar die an Andrew Eldritch in einer Bar getroffen und darüber beraten, wie Gehirn und Hintern sich am schönsten synchron bewegen. Liedchen wie „Jevers-Sand“ sind wie Schwermut unter Speed. Ein Saxophon appliziert das mitmenschliche Geworfensein auch noch so richtig schmuck und jazzig auf rauschende Meereswogen. Dann lassen wieder mittelaltermelodische Intermezzi, die sich mit hohen Frauenstimmen dekorieren, keine Ruhe. Und alles endet einsam am Klavier, das aber ein Keyboard ist. Ach Welt, Täuschung über Täuschung! Die Füße sind lahm, das Haupt ist trunken, die Augen glänzen blind. Man überläßt seine Vorstellungen und Begriffe der Vergangenheit – so lange bis der Vorhang fällt.

Aber halt, noch nicht ganz! Nachdem die Zeitanzeige des CD-Players in minutenlangem Schweigen zappelt, bricht noch einmal das Inferno aus. Sakrales Scherbenklirren, Klingglöckchen und Gewitter, ein paar Gitarrenfeedbacks von Martin Gruenitz als Appetizer fürs Jüngste Gericht. Das ist mehr als ein Hopsen in Hallen: der Beweis dafür, daß PABD immer noch mehr als den Groove den alttestamentarischen Zorn haben. Zeichen an der Wand sind zu deuten, die einen um Kopf und Kragen bringen („MacBanquo“), nur leider wird die endzeitliche Frage „Who is Baal?“ wieder nicht beantwortet.

Und wozu dieser schwersinnige Epilog? Wenn „Gothic“- Kultstars wie Printed At Bismarck's Death zehn Jahre lang Theater und Hörspiele, Literaturperformances und Filme mit ihrer Musik beschicken, wenn sie schwarzbekittelten Kellerkindern als Klangfolie für Düsterphantasien dienen – und sich dann unversehens aufs Tanzparkett begeben, heult der Goth Unterground natürlich enttäuscht auf.

Aber heißt Enttäuschen nicht auch: sich einer Täuschung zu entkleiden? Printed at Bismarck's Death geben sich offensichtlich als spirituelle Moralisten, die tanzen, ohne so richtig ins Schwitzen zu kommen, dabei leiden, weil sie unaufhörlich denken. Und das alles, um ernst genommen zu werden. Man kann es Manierismus nennen. Aber es ist eine schöne Pose. Anke Westphal

Printed at Bismarck's Death: „Ten Movements on the Matrix of a Symbol“ (Danse Macabre)