■ Verleih zieht den Film „Beruf Neonazi“ zurück
: Fassbinder revisited?

„Nur aus der Politik“ seien bisher die Forderungen nach einem Verbot des Films „Beruf Neonazi“ gekommen, teilt der Verleih „Unidoc“ mit. Das Publikum habe zwar heftig über den Film debattiert, sei aber nie gegen seine Vorführung gewesen. Der Verleih ist mit der Entscheidung, den Film einstweilen aus dem Verkehr zu ziehen, der Staatsanwaltschaft nur zuvorgekommen, die in Berlin – der einzigen Stadt, in der der Film über längere Zeit öffentlich dem Publikum zugänglich war – dem hessischen Verbotsbeschluß wohl folgen wird. Ignatz Bubis wiederum hält die Anzeige, die er als Vorsitzender des Zentralrats der Juden am Montag gegen den Neonazi Bela Ewald Althans, den Protagonisten des Films, erstattet hatte, für nicht mehr relevant: nun liege die Sache, wo sie hingehört, nämlich bei der Strafverfolgung.

Schwer vorstellbar, daß irgendeine andere westeuropäische Gesellschaft es dermaßen eilig hätte, soziokulturellen Konfliktstoff an die Justiz zu delegieren. Heftige, für die Beteiligten womöglich schmerzliche öffentliche Debatten haben an sich schon etwas Bedrohliches. Die Bedrohung nimmt, verständlicherweise, mit der Zuspitzung der Verhältnisse zu. Die Auseinandersetzung um Fassbinders Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“, an die auch Bubis sich nun wieder erinnert, fand vor dem Hintergrund überschaubarer rechtsradikaler Aktivitäten statt. Damals hatte Bubis gegen die Strafanzeige durch das Kulturforum der Jüdischen Gemeinde Berlins argumentiert, Fassbinders Stück sei antisemitisch, aber das müßten öffentliche Diskussionen verdeutlichen und nicht eine Strafanzeige. „Damals habe ich mir von einer staatlich finanzierten Bühne herunter anhören müssen: ,Wenn man dich vergast hätte, könnte ich heute ruhiger schlafen‘“, sagte Bubis im Gespräch mit der taz. Aber mit „Beruf Neonazi“ sei es noch schlimmer: „Hier wurden strafwürdige Behauptungen aufgestellt, von denen ein unbedarfter Beobachter annehmen könnte, der Staat habe sie durch seine Finanzierung sanktioniert.“

Wenn die Bilder tatsächlich so mächtig wären, daß ein „unbedarfter Beobachter“ prompt zum Nazi wird, wenn er jemanden in einer Gaskammer die „Auschwitzlüge“ verbreiten hört, warum haben dann all die decouvrierenden, sich distanzierenden Fernsehbilder nicht bewirkt, daß Kioske mit Nationalzeitung-Verkauf boykottiert werden? Das Erschreckende an „Beruf Neonazi“ ist doch nicht die zugegebenermaßen hilflose Faszination des Filmemachers, sondern die völlig ungehinderte internationale Vernetzung der Nazi-Aktivisten! Mariam Niroumand