Schuldentilgung am Hamburger Millerntor

■ St.Pauli-Lizenz-KG nahm 9 Millionen Mark ein / Manager Wähling nun auf Stürmersuche Von Kai Rehländer

Daß der Mann etwas mit Fußballprofis zu tun hat, erkennt man bei Heinz Weisener nicht auf den ersten Blick. Ein wenig deplaziert wirkt es schon, wenn der 65jährige Architekt hinter der Haupttribüne steht und in eine Thüringer-Bratwurst beißt. Zu dezent ist seine Erscheinung, zu sehr entspricht sein Auftreten der Vorstellung, die Hamburger gemeinhin von ihren Pfeffersäcken haben. Vornehm, aber ein wenig steif. Man sieht und merkt, daß er vermögend ist. Der Präsident des FC St. Pauli hat es nicht nötig, seinen Reichtum so offensichtlich zur Schau zu stellen, wie einige seiner Amtskollegen.

Dafür gelang es Weisener eine Neuerung in die Profifußball-Finanzierung einzuführen, die er selbst als „historisches Ereignis“ bezeichnet und die zwischenzeitlich heftiger Kritik ausgesetzt war: Die FC St. Pauli Lizenz KG, ein Fonds, der die Vermarktungsrechte des FC St. Pauli bis 1999 kauft und für einen jährlichen Festbetrag einer Marketinggesellschaft überläßt.

Inhaber dieser Marketinggesellschaft ist Heinz Weisener, der neben seinem Präsidentenamt noch der größte Gläubiger, Bürge und Mäzen des Vereins ist. Etwa 9 Millionen Mark sind so in die arg strapazierten Kassen des FC St. Pauli geflossen. Die Marketinggesellschaft, für die Weisener mit seinem umfangreichen Privatvermögen haftet, zahlt wiederum 1,3 Millionen Mark an die KG. Etwaige höhere Werbeeinnahmen fließen zu gleichen Teilen in Weiseners Marketing-GmbH und an den Verein. Zusätzlich erhält St. Pauli von der KG einen Vorschuß von 2,25 Millionen Mark, der bei sportlichem Erfolg (1.- 3. Tabellenplatz) nicht zurückgezahlt werden braucht.

Der Anleger, so weit es sich dabei um jemanden handelt, der größere Summen durch legale Steuergeschenke für Besserverdienende abschreiben kann, bekommt, laut dem Verbraucherschutzorientierten Bankwatch Infodienst zu Finanzleistungen, neben einer hohen Rendite auch eine entsprechende Sicherheit. Ganz im Unterschied zu Aktienmodellen zur Fußballfinanzierung, bei denen die Sicherheit durch den freien Markt nicht gegeben war. Also eine gute Investitionsmöglichkeit für Selbständige mit einem hohen Jahreseinkommen. Für finanziell schlechter gestellte Fans lohnt es sich nicht, einen Anteil von 5000 Mark zu zeichnen oder sich gar zu einer Anlegergemeinschaft zusammenzuschließen.

„Die wollten wir mit diesem Modell auch gar nicht ansprechen“, äußert sich Christian Hinzpeter, geschäftsführender Vizepräsident des Vereins. Das St. Pauli-Fanzine Übersteiger, ein Nachfolger des zum Ende der vorigen Saison eingestellten Millerntor-Roar, empfiehlt als Alternative als passives Mitglied in den Verein einzutreten. Das bringt neben dem netten Gefühl, den mit über 10 Millionen Mark verschuldeten Zweitligisten finanziell etwas zu helfen, außerdem noch Stimmrecht auf den Jahreshauptversammlungen. Der andere Nachfolger des Millerntor-Roar, das eher fundamentalistische Unhaltbar, sieht in diesem Verkauf des letzten St. Pauli-Wertes einen Versuch, längst abgeschmetterte Pläne durchzusetzen, aus dem vereinseigenen Wilhelm-Koch-Stadion eine Mehrzweckarena zu machen.

Dagegen wehrt sich Vize-Präsident Hinzpeter vehement: „Wenn wir das Stadion umbauen, dann setzen wir uns vorher mit den Fans zusammen und berücksichtigen ihre Bedürfnisse“, sagt der Rechtsanwalt, der seine fußballerische Sozialisation als Fan in der Gegengeraden hatte.

Das Stadion stellt für Wirtschaftsexperten derzeit das größte Manko des Vereins dar. Etwa 600.000 Mark müssen jährlich aufgebracht werden, um die nötigsten Reparaturen auszuführen. Bei einem etwaigen Wiederaufstieg in die Bundesliga, der laut Aussagen des St. Pauli-Präsidiums im nächsten Jahr angepeilt werden soll, würden die Einnahmen auch bei einer hundertprozentigen Auslastung nicht ausreichen, um die Kosten zu decken.

Weisener, der durch sein umstrittenes aber ehrliches Ultimatum an Trainer Seppo Eichkorn am 25.Oktober (“aus den nächsten zwei Heimspielen zwei Siege – sonst Entlassung“) für eine handschriftliche Solidaritätsbekundung der Spieler für ihren Übungsleiter gesorgt hatte, will das Erreichen eines Aufstiegsplatzes vielleicht schon in dieser Saison versuchen. Hartnäckige Gerüchte besagen, daß er Manager Jürgen Wähling damit beauftragt hat, einen neuen Stürmer zu verpflichten.

Obwohl der FC St. Pauli mit etwa 8 Millionen Mark über den dritthöchsten Etat der zweiten Liga verfügt und sich Trainer Seppo Eichkorn nach seinem Gusto verstärken konnte, überzeugte der Verein zu selten in dieser Saison. Darüber kann auch die zuletzt erbrachte Serie von 10:2 Punkten nicht hinwegtäuschen. Der FC St. Pauli verfügt derzeit mit Martin Driller über nur einen torgefährlichen Stürmer. Weder Markus Sailer, Ari Hjelm noch Leonardo Manzi konnten bisher überzeugen.

Zudem bräuchte auch Mittelfeldregisseur Carsten Pröpper einen weiteren Mitspieler, der auch mal in der Lage ist, auf seine Ideen einzugehen, anstatt, wie es beim vormaligen Underdog im bezahlten Fußball üblich ist, im Zweifelsfall nur „Kick'n Rush“ zu verstehen.

Wenn Heinz Weisener im Oktober sein Amt an Christian Hinzpeter, dem designierten Nachfolger, abtreten wird, hat er durch das Finanzierungs- Modell drei Dinge erreicht: Er sieht einen Teil des Geldes wieder, das er in den Verein investiert hat und der Kiezclub ist schuldenfrei, aber weiterhin von Weisener abhängig. Den Fans bleibt weiterhin nur der Dialog mit den Vereinsoberen und im Zweifelsfall der Druck der Gegengeraden, um ihre Vorstellungen unter anderem beim überlebensnotwendigen Stadionumbau einzubringen.