„Es war zu hektisch“

■ Bremer Palästinenser bei Arafat

Zwischen Enttäuschung und Begeisterung über einen „bewegenden Moment“ reichten die Gefühle: Am Dienstag machten sich PalästinenserInnen aus ganz Deutschland auf den Weg nach Bonn, um ihr Staatsoberhaupt Yassir Arafat zu sehen. Auch aus Bremen reiste eine Gruppe an: nach zehn, ja teilweise dreißig Jahren des Lebens im Exil wollten sie das lebende Symbol des palästinensischen Widerstandes persönlich sehen.

Für viele war es die erste Möglichkeit, der lebenden Legende Arafat nahe zu kommen. So auch für Saleh-El-Sary, den Vorsitzenden des palästinensischen Arbeitervereins in Bremen: Zwei Tage Urlaub hatte er sich genommen und hatte fünf Stunden im Auto gesessen, um nach bonn zu seinem Präsidenten zu fahren: „Es war schon ein Erlebnis, Yassir Arafat als offiziellen Staatsgast der BRD zu erleben. Die Normalisierung zwischen Deutschland und unserem Volk ist schon eine Genugtuung für jahrelange Bemühungen um Anerkennung.“ Denn es gab auch Zeiten, in denen es offiziell keine Palästinenser gab, sondern sie als Libanesen oder Jordanier bezeichnet wurden.

Hassan El-Hassan, Vorstandsmitglied in der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft in Bremen, war etwas enttäuscht über das offizielle Protokoll in Bonn: „Die Länge des Empfanges entsprach nicht dem Aufwand. Man hat erwartet, daß Arafat sich für die Begrüßung der palästinensischen Gemeinde Zeit nimmt.“ Das tat er aber nicht. „ich habe diese Begrüßung vermißt, diese Berührung mit den Gästen.“ Zwei Minuten nach Ende der Rede verschwand Arafat plötzlich. Kein Wortwechsel, kein Händeschütteln. Der schnelle Abgang war aus Sicherheitsgründen notwendig, wie es hieß. Dafür hätte er volles Verständnis, so El-Sary. „Ich hatte aber erwartet, daß einer von seinen Beamten ein paar Worte an uns richten würde, nachdem er sie so groß vorgestellt hatte.“ Eindeutiges Urteil: es war zu hektisch. „Aber wer weiß, wir leben schon so lange in Deutschland, daß wir vielleicht die Erwartung der Perfektion zu sehr von den Deutschen übernommen haben.“

Die Politik Arafats wollen die Bremer PalästinenserInnen aber nicht kritisieren. „Je mehr wie ehemaligen Feinde uns näherkommen, desto weniger Chancen haben die Radikalen auf beiden Seiten. Ich stehe hinter jeder Lösung, die auf Verständigung basiert.“

Auf der Rückfahrt nach Bremen herrschte im Auto langes Schweigen. Die Anspannung liegt noch in der Luft, es dauert eine Weile, bis die Meinungen ausgetauscht und die Erlebnisse verarbeitet sind. Die Nachrichten aus dem Radio vom Empfang für den PLO-Chef werden kommentiert: „Es ist eigentlich unglaublich. Deutschland hat lange gebraucht, um sich zu diesem Schritt der Anerkennung durchzuringen. Vor gar nicht langer Zeit stand Arafat im politischen Abseits – und jetzt schütteln sie seine Hände.“ A.R.