Jagd nach Stimmen

■ Seit einer Woche läuft die Unterschriftensammlung für das studentische Volksbegehren / Zahlen in "fünfstelliger Höhe"

Am Wittenbergplatz wurde gestern mit Megaphon, Plakaten und Performances versucht, Wählerstimmen einzufangen. Es waren aber keine Parteien, die sich da lautstark Gehör verschafften, sondern Studenten der TU. Sie sammelten Stimmen für das studentische Volksbegehren, das die Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses vorzeitig beenden soll. Viele, die unterschrieben, zeigten sich allgemein unzufrieden mit der Politik in der Stadt. Sie prangerten „soziale Ungerechtigkeiten“ an oder kritisierten die Bildungspolitik. Die Verkehrspolitik war genauso Grund zur Unterschrift wie die Frauen- oder Baupolitik.

Ein Mann tat es aus „Sympathie für die Studis, weil die zu wenig Unterstützung kriegen.“ Ein großer Teil derer, die unterzeichneten, hielt es allerdings für „unrealistisch, daß es klappt“ oder fand, daß die nächsten Politiker „genauso Scheiße“ sind. Auf die Frage eines Studenten, ob sie denn zufrieden sei mit der Politik, wenn sie nicht unterschreiben wolle, sagte eine ältere Frau: „Ich bin mit nichts zufrieden. Aber das hier ändert auch nichts.“

Seit über einer Woche, genau seit dem 3. Dezember, läuft die erste Stufe des studentischen Volksbegehrens. 80.000 Unterschriften brauchen die Initiatoren von TU, FU und Humboldt-Uni, um zu zeigen, daß überhaupt Interesse in der Bevölkerung an einem Plebiszit besteht. Konkrete Zahlen über die bereits gesammelten Unterschriften konnten gestern von der Arbeitsgemeinschaft Volksbegehren noch nicht genannt werden. Sprecherin Marion Weitemeier meinte aber gegenüber der taz, daß es sich „um eine fünfstellige Zahl“ handle. Eine erste Hochrechnung werde am Montag veröffentlicht. Dann hoffen die Verantwortlichen auf einen „Unterschriften-Boom, weil die Bürger dann wissen, daß sie nicht zu einer Minderheit von ein paar hundert gehören, wenn sie unterschreiben.“

Ziel sind nach Marion Weitemeiers Angaben 180.000 Unterschriften – 100.000 mehr als benötigt. „Dann würde das Abgeordnetenhaus vielleicht sofort Neuwahlen anberaumen, wie es schon 1981 war.“ Damals löste die SPD-FDP- Koalition das Abgeordnetenhaus auf, nachdem CDU und Alternative Liste 200.000 Unterschriften gesammelt hatten.

Bis Weihnachten will die Arbeitsgemeinschaft Volksbegehren die 180.000 Unterschriften zusammenhaben. Über die Feiertage müßten dann die Bezirksämter die Unterschriften prüfen. 14 Tage haben sie dazu Zeit. Schaffen sie es nicht, dann gelten die ungeprüften Unterschriften als gültig. Das eigentliche Ziel, nämlich Neuwahlen, sieht Marion Weitemeier „im Sommer nächsten Jahres“ erreicht. Martin Hörnle