■ Laßt das Licht aus!
: Dunkle Weihnacht

Schöne Bescherung! Dreizehn Tage bevor als Weihnachtsmänner verkleidete Studenten kleine Kinder hinters Licht führen, bemängeln Geschäftsleute, daß ein Posten auf ihrem Wunschzettel nicht erfüllt wird. Das Land Berlin beteiligt sich seit zwei Jahren nicht mehr an den 870.000 Mark teuren Kosten für das feierliche Blendwerk über der Konsummeile Ku'damm. Böse auf ihren Weihnachtsmann Eberhard Diepgen ließen sie gestern abend ab 18.30 Uhr Lichterketten und fünfzackige Sterne aus Glühbirnen erlöschen. „Zappenduster“ hat die Profitlobby namens AG City ihre Aktion genannt, mit der sie längst vergangenen Subventionen nachtrauert. Merkwürdig. In anderen Großstädten wie Hamburg, Frankfurt und München leuchtet Weihnachtsschmuck in der Mönckeberg-, Goethe- und Kaufingerstraße Jahr für Jahr ohne versteckte Wirtschaftsförderung – von Geisterhand angedreht? Kurz vor dem Auftauen der Weihnachtsgans erinnern Westberliner Kaufleute daran, daß sie eines noch immer nicht begriffen haben: Die Mauer fiel vor mehr als vier Jahren, und die üppigen Geldquellen aus der entwidmeten Hauptstadt Bonn sind versiegt.

Und Berlins oberster Weihnachtsmeister hat natürlich auch nur leere Taschen. Schön, daß die Juweliergeschäfte und Kaufhaustempel im Westen der Stadt für den Fall fehlender finanzieller Unterstützung auch gleich für das Fest der Liebe im kommenden Jahr mit Dunkelheit drohen. Das ist ganz im Sinne der weihnachtlichen Idee, denn wer kann sich schon unter Halogenscheinwerfern besinnen? Und eine unkonventionelle Art der Wirtschaftsförderung, mit der die Kundschaft in den Ostteil der Stadt gelenkt wird. Außerdem geht uns der Kaufrausch, zu dem Schokoladen-Nikoläuse schon seit September verleiten sollen, schon lange auf die Nerven. Also: Laßt das Licht aus! Übrigens – was passiert mit den eingesparten 870.000 Mark? Dirk Wildt