■ Die algerischen Verhältnisse im Spiegel der arabischen Welt
: Islamisten an die Macht

Angespannt lauschten fünfhundert Gäste den Worten des bärtigen Redners: „Wir werden unsere militärischen Aktionen fortsetzen und Gebiete befreien. In allen arabischen Hauptstädten werden wir unsere Büros eröffnen.“ Geschickt stellte sich Kamreddine Kerbane, Mitglied der Auslandsführung der FIS, bei einer „Islamischen Konferenz“ Anfang Dezember in Khartum als revolutionäre Speerspitze der Entrechteten dieser Welt dar. Islamisten sind aus der politischen Szene der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Staaten nicht mehr wegzudiskutieren. Sollte demnächst eine palästinensische Autonomieverwaltung gewählt werden, wird Hamas darin vertreten sein, und hätte Husni Mubarak sich nicht im Herbst mit DDR- Methoden wiederwählen lassen, würde Ägypten von den Muslimbrüdern regiert. Ihr Ansehen als „Revolutionäre“ verdanken die Islamisten dem Umstand, daß sie nicht an die Macht gelassen werden.

Nachdem sich in den arabischen Staaten die verschiedenen laizistischen oder nationalistischen Bewegungen in Form von Diktaturen und korrupten Regimen etabliert haben, bietet die Formel der Islamisten „Al Islam huwa el-Hal“ (Der Islam ist die Lösung) eine simple – aber in den Augen vieler Muslime die einzige – Hoffnung auf bessere Zeiten. Demokratie nach westlichem Vorbild ist für sie unglaubwürdig, wenn die demokratischen Grundsätze beim Anblick von Islamisten aufgehoben werden. Als in Algerien eine politische Mafia aus Militärs und alten Machthabern der FLN im Dezember 1991 der Demokratie einen Riegel vorschoben, weil die „falsche Partei“, die „Islamische Heilsfront“ (FIS), drohte die Wahlen zu gewinnen, regte sich im demokratischen Ausland kein Protest. Die Repression des Regimes schaffte seitdem eine Atmosphäre, in der Islamisten selbst für die absurdesten und brutalsten Aktionen mit Sympathien rechnen können. Das bedrohliche an der FIS ist nicht der Islam, sondern ihre willkürliche Militanz, die sich in der Bezeichnung Front ausdrückt. Die Frontstellung ist jedoch von beiden Seiten gewollt, der Ausnahmezustand wichtigste Stütze des Regimes.

Eine andere Form des Umgangs mit Islamisten hat Jordaniens gewiefter König Hussein demonstriert. Er ließ die „Islamische Aktionsfront“ vor vier Jahren in das Parlament einziehen. Dort entpuppten sich die Islamisten als graue Mäuse, deren Gesetze das Leben langweiliger machten. Die jordanische Bevölkerung merkte, daß der Islam nicht die versprochene Lösung für weltliche Probleme brachte. Bei den Parlamentswahlen im November erlitten die Islamisten eine deutliche Schlappe. Aus der Front war eine ganz normale Partei geworden, ähnlich dröge wie jene abendländischen mit einem „C“ im Namen. Thomas Dreger