Briefmarke verriet Attentäter

Zwei Mitglieder einer österreichischen rechtsextremen Organisation in Haft / Briefbombenbauer haben offenbar engen Kontakt zur deutschen Szene / Festnahme auf dem Weg nach Berlin  ■ Von Robert Misik

Berlin (taz) – Nicht einmal eine Woche benötigte die österreichische Polizei, um den Briefbomben- Spuk, der die Republik erschütterte, zu beenden. Am Donnerstag abend waren bereits zwei dringend Tatverdächtige in Haft. Beide stammen aus dem militant neonazistischen Milieu und haben offenbar engen Kontakt zu deutschen Gesinnungsfreunden. Das Innenministerium in Wien verhängte kurzerhand eine Nachrichtensperre, die freilich durch die sprichwörtliche österreichische Schlamperei gemildert wird. So läßt sich der gegenwärtige Stand der Dinge einigermaßen klar rekonstruieren.

Nachdem am vergangenen Sonntag der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk das vierte Opfer der brisanten Post wurde – ihm mußten inzwischen drei Finger der linken Hand amputiert werden–, bat die Polizei die Bevölkerung um Mitarbeit und richtete insgesamt sieben Fragen an die ÖsterreicherInnen. Schon die erste sollte den entscheidenden Hinweis geben: „Hat jemand den Kauf einer großen Menge 7-Schilling-Briefmarken (Motiv: Kloster Loretto/Burgenland) bemerkt?“ Jemand hat. Einer Kremser Kioskbesitzerin blieb ein junger, beinah kahlgeschorener junger Mann im Gedächtnis, der diese Wertzeichen erstanden hatte.

Mit Hilfe dieser Zeugin gelang es, ein computerunterstütztes Phantombild zu erstellen – und die Visage, die da auf dem Bildschirm entstand, hatte frappante Ähnlichkeit mit einem polizeibekannten, notorischen Rechtsextremisten. Die Fahndung nach dem in Wien und Niederösterreich lebenden Peter B. lief an. Aufgegriffen wurde er schließlich von tschechischen Grenzbeamten, die im Kofferraum seines Autos ein ganzes Arsenal von Hand- und Faustfeuerwaffen fanden. Peter B. war auf dem Weg nach Berlin.

In den Wohnungen B.s, der als Elektrotechniker von Berufs wegen das nötige Know-how mitbrachte, fanden die Ermittler der Sonderkommission weitere Hinweise, in der Wohnung eines 26jährigen „Gesinnungsfreundes“ in Schwechat bei Wien, Alexander W., der als Söldner in Kroatien war, schloß sich dann die Indizienkette: Ein Heimlabor sowie größere Vorräte an Glycerin, Salpetersäure und Schwefelsäure wurden sichergestellt.

Zumindest von Peter B. ist bekannt, daß er der verbotenen neonazistischen „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ (Vapo) des jüngst zu zehn Jahren Haft verurteilten Gottfried Küssel angehört, die bereits in den vergangenen Jahren durch Wehrsportübungen auf dem niederösterreichischen Anwesen eines ihrer „Führer“ Aufmerksamkeit erregte. Seit der Verhaftung Küssels und der verstärkten Repression gegen die Vapo und ihr Umfeld häuften sich die Indizien, daß sich die Nazi-Truppe im Untergrund zu reorganisieren versucht: Mitläufer wurden vom harten Kern abgesondert, um so unsichere Kantonisten auszuschalten. Ein Prozeß, der freilich erst im vergangenen Herbst einsetzte; daß die Vapo – oder einzelne ihrer Mitglieder – so schnell zur terroristischen Tat schreiten würden, kam jedoch überraschend.

Die internationalen Kontakte der Vapo – vor allem zu deutschen Kameraden – sind bekannt. Die Vapo gilt als österreichischer Arm des von Michael Kühnen gegründeten illegalen Neonazi-Netzwerkes „Neue Front“, ihr Führungskader dürfte durchwegs der aus Übersee operierenden NSDAP/AO angehören. Küssel selbst galt nach dem Tod Kühnens als dessen Nachfolger, bis die österreichische Justiz dieser großdeutschen Karriere vor beinahe zwei Jahren ein Ende setzte und Küssel inhaftierte. Enge Verbindungen zu bundesdeutschen Neonazis, wie dem Hamburger Christian Worch (Nationale Liste) oder Frank Hübner, dem Chef der unlängst verbotenen Deutschen Alternative, sind verbürgt.

Unsicher ist bisher, ob das Bombemwerfer-Duo auf eigene Faust handelte oder ob die gesamte Vapo-Untergrundstruktur mit von der Partie war – oder es sich gar um eine terroristische Wendung des in Österreich und der BRD operierenden Nazi-Netzwerks handelt. „Es muß hier eine Konstellation eingetreten sein, die wir noch nicht kennen“, bekennt Michael Sika, der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit. Trotz der Nachrichtensperre sickerte jedoch am Freitag nachmittag durch, daß die Wiener Polizei eine größere Razzia gegen der Mittäterschaft verdächtigte Vapo-Gefolgsleute plane. Innenminister Franz Löschnak lehnte weitergehende Spekulationen zwar ab, deutete aber an, man habe nunmehr „das erste Rad“ gefunden, jetzt gelte es die übrigen Räder ausfindig zu machen. „Verbindungen nach Deutschland sind wahrscheinlich.“