Genf erneut verschoben

■ Bosnische Regierung erwägt Ausstieg

Genf/London (taz) – Die am Donnerstag letzter Woche unterbrochenen Bosnien-Verhandlungen werden erst nach den serbischen Parlamentswahlen am 19. Dezember fortgesetzt. Die UNO-/ EU-Unterhändler Thorvald Stoltenberg und David Owen luden die Präsidenten Bosniens, Serbiens und Kroatiens sowie die Führer der bosnischen Serben und Kroaten für den 21. Dezember nach Genf ein. Innerhalb der bosnischen Regierung werden unterdessen die Aufkündigung des gesamten von UNO und EU getragenen Verhandlungsprozesses und die Forderung nach einem völlig neuen Verhandlungsrahmen erwogen.

Die Anfang letzter Woche auf Basis einer Initiative der Europäischen Union wiederaufgenommenen Verhandlungen waren mangels serbischer Bereitschaft zu territorialen Konzessionen nach vier Tagen ergebnislos unterbrochen worden. Aus dem gleichen Grund wurden ursprünglich für morgen angesetzte Verhandlungen im nordgriechischen Saloniki am Donnerstag abgesagt. Mit dem neuen Termin hat sich auch bei Owen und Stoltenberg die Einsicht durchgesetzt, daß mit serbischen Konzessionen – wenn überhaupt – auf keinen Fall vor der Wahl in Serbien zu rechnen ist.

Eine internationale Konferenz über die Zukunft Bosnien-Herzegowinas, an der neben Bosniens New Yorker UNO-Botschafter Mohamed Saćirbey auch zahlreiche bosnische Diplomaten teilnahmen, endete am Donnerstag abend in London mit der Forderung nach einem neuen Verhandlungsansatz in einem anderen Rahmen.

Die Anfang September 1992 begonnenen Verhandlungen seien total gescheitert, heißt es in der Abschlußresolution der Konferenz. Der bisherige Verhandlungsprozeß habe zur Zerschlagung des multiethnischen Einheitsstaates Bosnien-Herzegowina und zur Sanktionierung von Völkermord geführt. Das bedeute den Bruch der UN-Charta sowie die Verletzung der zu Beginn der Verhandlungen von UNO und EG festgelegten Londoner Prinzipien.

Innerhalb der bosnischen Regierung, bei den Oppositionsparteien sowie bei Unterstützerorganisationen im Ausland nehmen die Stimmen zu, die auf den Erhalt des multiethnischen Staates Bosnien- Herzegowina in seinen bisherigen Grenzen drängen. Die bosnische Regierung kann allerdings die schon vor Monaten in Genf erteilte prinzipielle Zustimmung zur Dreiteilung Bosniens dort nicht zurücknehmen. Als einziger Ausweg erscheint daher der völlige Ausstieg aus den Genfer Verhandlungen. Erwogen wird, eine Reihe westlicher, östlicher sowie neutraler KSZE-Staaten für die Initiative zur Schaffung eines neuen Verhandlungsrahmens für das gesamte ehemalige Jugoslawien zu gewinnen. Andreas Zumach