„Im Einvernehmen mit Terroristen“

Der Schriftsteller Salman Rushdie hofft nach seinem Besuch bei Bundesaußenminister Klaus Kinkel auf mehr Unterstützung / Heftige Kritik am „kritischen Dialog“ der Bundesregierung  ■ Aus Köln Walter Jakobs

Wo immer Salman Rushdie auftritt, es piepsen die Sprechfunkgeräte. Das war gestern im Haus des Kölner Schriftstellers Günter Wallraff, wo der britische Autor für drei Tage zu Gast war, nicht anders. Polizeischutz rund um die Uhr, ein Versteckspiel um Reiseroute und Aufenthaltsorte, all das gehört zum Leben des Schriftstellers, seit die iranischen Machthaber ihn mit einer Morddrohung terrorisieren.

Am Donnerstag hat sich endlich auch die Bundesregierung bequemt, den von iranischen Fundamentalisten gehetzten Mann zu empfangen. Daß das Gespräch überhaupt stattfand, wertet Rushdie zwar als „sehr positiv“, doch gleichzeitig läßt er keinen Zweifel daran, daß ihn der Kurs der Bundesregierung gegenüber den Machthabern in Teheran maßlos enttäuscht. Fortschritte durch die von der Bundesregierung propagierte Politik des „kritischen Dialogs“ hält er für so gut wie ausgeschlossen. „Wenn der Dialog Vorteile bringt, dann wollen wir sie sehen.“ Nach Einschätzung des Autors wird es auch in Zukunft kaum gelingen, den Iran im Dialog zum Umdenken zu bewegen. Das werde Teheran erst tun, „wenn sein Eigeninteresse tangiert ist“. Man müsse dem Iran also klarmachen, daß die „Unterstützung von Terroristen“ dem Land selber schade. – Rushdie ist davon überzeugt, „daß das Problem gelöst werden kann, wenn die demokratischen Regierungen dieser Welt es wollen“. Wie der Beitrag Bonns sich dazu entwickle, hänge aber nicht von einzelnen Gesprächen ab, sondern sei eine Sache aller Deutschen. Die deutsche Bevölkerung müsse sich fragen, ob sie in einem Land leben wolle, „das im Einvernehmen mit Terroristen lebt, oder nicht“.

Bisher bot die Bonner Regierung beim Kampf gegen die Teheheraner Fundamentalisten ein geradezu jämmerliches Bild. Bis zuletzt hat sich Außenminister Kinkel nach Informationen der taz mit Rücksicht auf den Iran geziert, Rushdie überhaupt zu empfangen. Erst als Gesprächszusagen vom Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau vorlagen, habe sich Kinkel bewegt. Die Ironie der Geschichte: Weder Rau noch Blüm schafften, was sie unbedingt wollten. Der eine lag mit einer Grippe im Bett, während der andere just am Freitag wegen des entscheidenden Vermittlungsverfahrens zur Pflegeversicherung unabkömmlich war. Wenig couragiert verhielt sich im Fall Rushdie im übrigen auch Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Mit Blick auf die lange ablehnende Position des Auswärtigen Amtes wies Weizsäcker in den letzten Monaten alle Gesprächswünsche brüsk zurück. Beim letzten Deutschlandbesuch von Rushdie hatte sich auch Rudolf Scharping mit dem Hinweis auf seine „Doppelbelastung“ einem Gespräch entzogen. Am Donnerstag fand der Vorsitzende der Sozialdemokraten nun endlich Zeit. Eine weiteres Treffen soll es demnächst in England geben. Für Rushdie selbst markiert der Deutschlandbesuch eine persönliche Wende. Nach zweijähriger öffentlicher Kampagne will er sich vorübergehend zurückziehen, um einen Roman zu beenden. Es mache jetzt wenig Sinn, weiter die Regierungen abzuklappern und Hände zu schütteln. Statt dessen sei die Zeit reif zur Umsetzung konkreter Schritte. Er selbst will die kommenden Monate nutzen, „um neue Ideen zu entwikkeln“.

Als ganz besonders wichtig bezeichnete der Autor es gestern, den iranischen Mordaufruf vor den internationalen Gerichtshof zu bringen. Wenn dort der Aufruf als „Verbrechen“ verurteilt werde, dann bestünde die Hoffnung, daß es auch vielen Regierungen und Institutionen leichter fallen werde, die iranischen Verantwortlichen „wie Verbrecher zu behandeln“. Auch den Versuch der skaninavischen Länder, den iranischen Terror vor die UNO zu bringen, gelte es zu unterstützen.

Der Schriftsteller Günter Wallraff, ohne dessen Bemühen das Gespräch mit Kinkel nach Auffassung von Rushdie „wahrscheinlich nicht“ zustande gekommen wäre, hat während der letzten Tage beim Tischtennisspielen im übrigen eine bisher noch unbekannte Stärke des geschätzten Freundes kennengelernt: „Der spielt einen verdammt guten Slice.“