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Beredtes Schweigen im Bürgerhaus

■ SPD-Parteitag verzichtet auf Diskussionen / Voscherau empfiehlt Scharping Rotgrau

Sooo lange hat es doch gar nicht gedauert. Am Freitagabend, gerade mal 82 Tage nach den Bürgerschaftwahlen, meldete sich bei der SPD die Basis zu Wort.

Das Parteitagspodium betrat der Delegierte Sönke Klages aus Billstedt und wetterte: Das Auftreten der SPD in den Verhandlungen sei „lächerlich“ gewesen, Voscherau habe die Koalition mit der GAL nie gewollt ... aber hören wollte das kaum noch jemand. Ein Schwätzchen im Foyer, ein Bierchen am Buffet und dann rein in die Abstimmungsmaschine. Mit überwältigender Mehrheit – so richtig gezählt hat keiner mehr – genehmigten die Funktionäre das rotgraue Kooperationsabkommen samt Voscheraus neuer Senatsliste. Diskussion? Wozu eigentlich?

Schließlich hatte doch die GAL die rotgrünen Verhandlungen abgebrochen, schließlich war sie es doch gewesen, die es „nicht geschafft hatte, sich zu bewegen“, wie Parteichef Helmuth Frahm in seiner Rede ein ums andere Mal betonte. Schließlich ist die Statt Partei, befand Bürgermeister Henning Voscherau, „ein strukturell interessanter Partner für die SPD“. Und das „nicht nur in Hamburg“. Der Senatsprimus bemühte sich redlich, die bundespolitische Bedeutung seiner neuen Regierung – und damit seine eigene – zu unterstreichen. Beifall, Lächeln, Kamera, Spot an: Yeah. Hoffentlich guckt der Scharping richtig hin.

War es dem Bürgermeister nicht vortrefflich gelungen, aus dem „Reichtum von Personen und Regionen in der SPD“ (Original-Übersetzung Voscheraus für roten Filz) eine Senatsliste zu zaubern, mit der vor allem er selbst überaus zufrieden sein konnte. Die Linken aus dem mächtigen SPD-Bezirk Nord sind jetzt gleichzeitig fürs Geldausgeben (Sozialsenatorin Fischer-Menzel) und fürs Geldsparen (Finanzsenator Runde) zuständig – und dürfen sich untereinander streiten.

Die alten Freunde aus Wandsbek muckten nicht auf, daß ihr Kreisvorsitzender Peter Zumkley das Senatsgehege räumen mußte, während der steife Voscherau-Vertraute Thomas Mirow (Rathaus-Spott: „Der Kardinal“) zum Supersenator für Stadtentwicklung, Bezirksangelegenheiten und die Senatskanzlei befördert wurde.

Widerspruch noch nicht einmal bei den Geschaßten selbst. Wolfgang Curilla und Peter Zumkley beugten sich schulterzuckend: „Wenn's der Partei nutzt...“. Selbst Bürgermeister-Intimfeind Jan Ehlers nickte beim Anblick der Senatsliste wohlgefällig. Nur die ausgebootete Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit zeigte sich bockig, erklärte dem Bürgermeister ihre Unzufriedenheit und mied den Parteitag. Ansonsten: Schweigen im Bürgerhaus Wilhelmsburg.

Den Delegierten sei in den letzten sechs Wochen die Lust am Verhandeln abhanden gekommen, erklärte Altonas SPD-Kreischef Walter Zuckerer gestern per Welt am Sonntag das müde Durchwinken der Voscherau-Linie. „Resignation“ über die verfestigten Machtstrukturen habe sich in der SPD breitgemacht.

Zuckerer hatte sich am Freitagabend genauso wenig zu Wort gemeldet wie seine Kollegin Angelika Mertens aus dem ebenfalls mit Senatsämtern nicht gerade reichlich versorgten Kreis Eimsbüttel, die indirekt Kritik daran übte, daß das neben Kassenwart Curilla zweite Senats-Fossil, Bausenator Eugen Wagner (seit zehn Jahren im Amt), weiter regieren darf: „Ich hätte mir gewünscht, daß auch noch andere Altgediente ihren Platz frei gemacht hätten.“ Uli Exner

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