Hartes Alter in der Fremde

■ Ausländische Rentner haben eigene Probleme: Gesundheit, Geldmangel, Einsamkeit

Eine neue Problemgruppe ist entdeckt: Rund 150.000 Ausländer, die älter als 65 Jahre sind, leben in der Bundesrepublik; das sind rund drei Prozent aller hier lebenden Ausländer. Ihr Anteil an der Bevölkerung wird in den kommenden Jahre aber steigen – und weil sie keine Lobby haben, werden auch ihre Probleme zunehmen.

Diese Aussage machte Professor Faruk Sen auf einer Abendveranstaltung des Bremischen Dachverbandes der Ausländerkulturvereine (DAB) am Freitag abend. Sen leitet das Zentrum für Türkei-Studien in Essen, das im Auftrag der Bundesregierung erstmals die Lebenssituation älterer ItalienerInnen und TürkInnen in deutschen Großstädten erforscht hat. Die Ergebnisse der Studie stellte er im Rahmen einer Vortragsreihe zum zehnjährigen Bestehen des DAB vor.

Zwar wollen die meisten (rund 83 Prozent) aller AusländerInnen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, ihren Lebensabend in Deutschland verbringen, fand Sens Forschungsgruppe heraus. Doch haben etwa genauso viele TürkInnen – besonders Frauen – Angst vor ihrer Zukunft in der Fremde.

Sen führte dies in seinem Vortrag auf drei grundlegende Probleme zurück: Ältere AusländerInnen haben große Probleme mit ihrem Einkommen, ihrer Gesundheit und leiden unter fehlenden Kontakten. So müssen rund ein Drittel aller ausländischen Alten sich mit weniger als 500 Mark Rente bescheiden. Dies liegt vor allem daran, daß sie meist nur wenige Jahre in die deutschen Rentenkassen eingezahlt haben. Zudem haben die Ausländer der sogenannten „Ersten Generation“ vielfach in Niedrig-Lohngruppen gearbeitet, so daß diese zwei Effekte sich gegenseitig verstärken: Niedrige Beitragszahlungen über wenige Jahre bringen nur eine äußerst bescheidene Rente.

Diesen Hungerlohn trauen sich jedoch nur 18 Prozent der Befragten mit Sozialhilfezahlungen aufzubessern – „aus falsch verstandenem Ehrgefühl“, wie der Sozialwissenschaftler vermutet.

Die frühere harte Arbeit (besonders in der Industrie) hinterläßt ihre Spuren: So gaben in Sens Untersuchung zwar rund ein Viertel aller befragten italienischen und türkischen Rentner an, es gehe ihnen gesundheitlich „gut“. Aber die Hälfte von ihnen bedarf der „ständigen ärztlichen Kontrolle“. Deshalb, folgerte Sen, wollten auch drei Viertel „wegen ihrer Gesundheitsversorgung“ nicht in ihre Heimatländer zurückkehren.

Stimmten bis hierhin die Angaben der älteren Italiener und Türken noch weitgehend überein, so ergaben sich jedoch große Unterschiede bei den ,Kontakten'. „Regelmäßige Kontakte“ haben 85 Prozent aller türkischen, aber nur 25 Prozent aller italienischen Rentner. Während bei den älteren Türken besonders der Besuch der Moschee oder der Tee- und Kaffehäuser für die zwischenmenschlichen Beziehungen unter Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen von Bedeutung seien, stützten sich ihre italienischen Altersgenossen nur auf ihren Freundeskreis.

Darüber hinaus seien Angebote der Altenhilfe (wie beispielsweise ,Essen auf Rädern') noch nicht einmal einem Viertel der ausländischen Alten bekannt, fand das Zentrum für Türkei-Studien heraus. Sen appellierte: Da die deutschen Behörden in ihrer Altenpolitik die Ausländer nicht berücksichtigten, seien nun Ausländer- und Altenvereine gefordert, dieser vernachlässigten Gruppe zu helfen und ihr Gehör zu verschaffen. A. Friebe