Bremen exportiert Köpfe

■ Die negative Wanderungsbilanz der StudentInnen und ihre Ursache

Bremen ist eine „Hafen-Weltstadt“, lobt sich die bremische Wirtschaftspolitik bei Bedarf. Wenn aber junge BremerInnen mit Abitur in die Welt hinausgehen wollen zum Studieren, dann rümpft man in bremischen Behörden die Nase. „Unzureichende Eigennutzquoten der regionalen Hochschulen“ heißt das dann. Der Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung (BAW), eine Abteilung des Wirtschaftsressorts, hat eine Untersuchung angestellt und ist zu dem Ergebnis gekommen: Bremen muß seine Universität und seine Hochschulen attraktiver machen, damit nicht mehr so viele BremerInnen „abwandern“ und auswärts studieren.

Der kritischen Frage liegt die These zugrunde, daß „diejenigen Studenten, die an Hochschulen außerhalb der norddeutschen Region studieren, meist 'auch für die Region verloren' sind“. Das soll heißen: Solche BremerInnen sind eher bereit, „attraktive Angebote der dortigen Unternehmen anzunehmen und ihre weitere Lebensplanung in diesen Raum zu verlegen“. Damit verliere die Region einen „Know-How-Träger“, es komme zu einem „Transfer über die Köpfe“. Ein Problem wird daraus natürlich erst, wenn gleichzeitig eine „fehlende überregionale Attraktivität“ festgestellt wird.

Das BAW hat bei seiner Untersuchung die Studentenbogen genommen und unterstellt, daß Studierende an dem Ort, aus dem sie stammen, weiterhin polizeilich gemeldet sind. Bremen und Niedersachsen gehören dann traditionell zu den „Studentenexport“-Bundesländern. In Niedersachsen ist die „Exportquote“ (Differenz zwischen auswärts Studierenden und im Land studierenden Auswärtigen) zwischen 1975 und 1990 von 17 Prozent leicht auf 15 Prozent zurückgegangen. In Bremen war diese Exportquote kurz nach der Gründung der Uni (1975) noch extrem hoch (31%) und sank bis 1990 auf drei Prozent, rechnet man aber den Fachhochschulbereich ab, ähnelt die Zahl mit 15,2 Prozent der niedersächsischen.

Wie die Wanderungen im einzelnen zeigen, wandern bremische Studierende vo allem nach NRW (1532) ab, Berlin (929) und Hamburg (871) folgen. Dabei läuft Niedersachsen mit 6813 Studierenden aus Bremen außer Konkurrenz. In Bremen studierten 1990 13.816 Studenten mit Wohnsitz in Bremen, 6813 hatten ihren Wohnsitz in Niedersachsen, 590 kamen aus NRW. Aus Berlin zog es nur 87 nach Bremen, aus Hamburg immerhin 179.

Nicht bestätigen können die BAW-Forscher, daß sich das Fehlen einer technischen Universität in Bremen in einer großen Abwanderung in die nahe TU Braunschweig besonders niederschlagen würde. Auch die medizinische Fakultät Hannover wird offenbar nicht als regionaler Ersatz für eine fehlende Abteilung Medizin der Bremer Uni angewählt.

Der Vergleich mit der Uni Oldenburg ergibt ein ganz ähnliches Bild. Auch die Oldenburger Uni hat vor allem einen regionalen Einzugsbereich und ist für Auswärtige wenig attraktiv: Nur elf Prozent der Studierenden in Oldenburg kommen nicht aus Niedersachsen oder Bremen, an der Uni Bremen sogar nur sieben Prozent. Gleichzeitig haben diese bei den Universitäten eine unterdurchschnittliche „Eigennutzquote“: Jeder zweite Studierende aus der Region Bremen/Oldenburg zieht zum Studium woandershin. Da das im Raum Hannover anders ist, schließen die Wissenschaftler: Niedersachsen fördert die niedersächsischen Universitäten im Wirtschaftsraum Bremen weniger als die rund um Hannover.

Bei der Frage nach den Ursachen für diesen Befund halten sich die BAW-Forscher zurück. Einer der Gründe sei in der Überfüllung der Bremer Uni zu suchen, während im Durchschnitt die Hochschulen mit 185 Prozent überlastet sind, sind es in Bremen 218 Prozent. Insbesondere wandern aber offenbar solche „Köpfe“ aus der Region ab, die Wirtschafts- oder Gesellschaftswissenschaften studieren wollen. Ursache, so die BAW-Studie, könnte also die fehlende „Qualität der Ausbildung bzw. deren Akzeptanz in der Wirtschaft“ sein. Von den Investitionen in den Hochschulausbau, mit dem der ingenieurwissenschaftliche Teil der Universität bis zum Jahre 2004 auf ein Drittel aufgestockt werden soll, versprechen sich die Wissenschaftler des Wirtschaftsressorts eine Verringerung der Mobilität der StudentInnen aus Bremen: Statt wie bisher 44,2 Pozent sollen dann 70 Prozent im Lande bleiben, steht im Sanierungsprogramm der Hafen-Weltstadt. An Anstrengungen, die Bremer Universität für auswärtige Studierende attraktiver zu machen, ist offenbar nicht gedacht. K.W.